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Throwback Schaf-Schusshülsen #1

Vor 10 Jahren so? 

Throwback Schaf-Schusshülsen

Oktober 2.009

Sicher werdet Ihr Euch gerade fragen "Wie jetzt, Oktober 2.009??? Dreht der jetzt die komplette Matrix durch sein Hirn? Oder klemmt dem nur der Helm?" - nein Freunde, mitnichten, mir kam just die Erkenntnis, dass man das Hier und Jetzt wesentlich besser durch das Gestern verstehen lernen kann. 

Das ist nicht nur gesellschaftlich gesehen so, sondern auch ganz individuell sinnvoll, denn alles, was du heutzutage tust, von dir gibst, wie du handelst... all' das hat seine Wurzel im Gestern. So auch das kollektiv empfundene Gesellschaftsverhalten. Wenn man sich dem offen stellt, lernt man nicht nur sich selbst besser (zurückzu-)verstehen, sondern kann (so ist meine hoffnungsvoll-optimistische These) auch die Gegenwart positiver gestalten, wenn nicht vielleicht sogar optimieren. Gewiss, ein waghalsig-riskanter Ansatz, aber wer nichts wagt, gewinnt auch nichts. 

Gar nicht so einfach mal eben 10 Jahre zurückzuspulen und ganz konkrete Erinnerungen in greifbare Nähe zu bekommen. Zunächst schießt mir in den Kopf, dass mein Opa (R.i.F.) gerade verstorben war, ich zeitgleich aufhörte zu rauchen und die Bekanntschaft mit der Asthma Anfall machte. Alles fußschweres Betonwerk im Lebenslauf meiner Wege. 

Opa war derjenige, der mich 33 Jahre konstant begleitet hatte, mir einige Gaben vererbt hat (zumindest weiß ich heute, dass es von ihm und seinem Vater herrühren muss). Er war es auch der mir einige Male zu DDR den Arsch rettete, wenn ich mal wieder beim Schuldirektor saß, was auch schon mal schwer von einem ABV (*Abschnittsbevollmächtigter; so etwas wie der zuständige DDR-Sheriff in der Stadt) und einigen "höheren" Vertretern des Staates flankiert wurde, schließlich eilte mir ein Ruf als nicht "händelbar"/"schwer erziehbar" voraus. Nicht nur, weil ich unbequeme Fragen stellte, sondern auch, weil ich die Gewalt, die ich im Alltag einsteckte (ob von zu Hause- oder von den 9- & 10. Klässlern in der Schule) auch weitergab an diverse Andere aus der Schule, bzw. im Umfeld. Nun ja, so war ich. 

Und so war mein Opa, der nur Gutes wollte und das für alle direkt- und indirekt Beteiligten. Ich sah immer zu ihm auf, nicht nur, weil er eine Art konstante Bezugsperson war, sondern auch, weil er es zu etwas gebracht hatte, trotz dessen, dass er den 2 Weltkrieg tiefenbewusst miterlebt hatte und auch sonst nicht von einem Ponyhof stammte, sondern aus einer hart arbeitenden Familie. 

Doch zurück zum Oktober 2.009. Es muss auch in dem Dreh gewesen, dass Bernd (R.i.F.) von Puke Music auf die Idee gekommen war einen PinUp Kalender für das Jahr 2.010 aufzuziehen. Nicht zuletzt arbeitete man seit geraumer Zeit mit einer sympathischen, illustren Crew bei diversen Puke Music Konzerten eng zusammen. Am 2.- und 3.10. 2.009 z. B. war ich auch beim "4. Berlin Rock City Festival 2009" der Fall, bei dem so illustre Bands wie: Aldi Armee, Paranoia, Wochenendterroristen, Crusaders, Towerblocks, Soifass, Verlorene Jungs, Jumping Jacks, Suspekt Punkrock, Turbolover, Brigade S., V8 Wankers, Telekoma, Anticops, Springtoifel, Trabireiter spielten. Das fand damals im H.O.F. 23 in Berlin- Weissensee statt, einem heutzutage kulturell gesehen eher etwas abschüssigen Stadtteil in Sachen Clubkultur und Feierei. 

Selbst die Gegend rund um den Sitz des Puke Music Ladens erscheint mir im Rückblick, abgesehen von der Rigaer Strasse, noch eine ganz andere gewesen zu sein. Noch viel durchdrungener von Kreativen, von teils positiv Bekloppten und Wahnsinnigen, die bereit waren auch der kleinsten, irrwitzigsten Idee erst einmal 'ne faire Chance zu geben und das ganz ohne großartige Plenumdebatten und Gegenprüferei ob dies' oder jenes so auch wirklich vertretbar und "korrekt" sei?! Dabei frage ich mich gerade, wann hat sich die Punkszene eigentlich ihre ersten Regelschubladen/Dogmen selbst aufgezimmert??? Ich meine selbst im Oktober 2.009 war das alles noch angenehm durchsetzt von Rotzgören, Suffdurstigen und Kreativen. Keine Sorge Sexismus-Care, Feminismus etc. - all' das war längst dabei, man hat sich respektiert und hatte gemeinsam Spaß daran am Leben zu sein - egal ob Oi, Punk, Metaller, Psychobilly/-bella oder einfach Druffie, Bekloppte/-r etc. - es war ein Klüngel von Leuten, der voller Leben war, egal wie tot, ausgelaugt, geschröpft, arm, freaky oder fucked up manche auch waren. 

Die Ecke Samariterstrasse/Rigaer Strasse war in jenen Tagen (aus meiner Sicht) ein Sammelbecken für die, die Berlin erst den Flair zuverliehen, den so viele Touristen suchten, die sich auf eigene Faust von all' den müdegetrampelten Sightseeingpfaden wegbegaben. Wer es etwas Oi! lastiger mochte, konnte ein paar Schritte weiter zu Alex in den "Get A Life Shop" gehen oder auch vereinzelt ein paar bunte Kaffees drumherum finden. Ich meine mich auch an einen netten kleinen Plattenladen zu erinnern? (was aber täuschen kann) 

Zu Puke Music war ich via meiner freien Schreibertätigkeit für das Fatal Underground Fanzine gekommen, weil Bernd immer wieder unsagbar viele hauseigene Veröffentlichungen am Start hatte und ich es mochte, dass er an seine Ideen und auch die Bands glaubte. Er war fähig etwas in den Bands zu sehen, dass teilweise erst Jahre später zur Entfaltung kam. Just um Euch mal einen Überblick über die diversen Puke Music Veröffentlichungen zu verschaffen, sei hier mal ein Link beigefügt http://parocktikum.de/wiki/index.php/Puke_Music . Allein daran könnt Ihr sehen welch' großen Einfluss Puke Music letztlich auf die (Punk-)Szene- und Konzertkultur innerhab Berlins, bzw. landesweit hatte. 

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Wenn ich all' das dem Oktober 2.019 gegenüberstelle und es wirken lasse, dann merke ich den harten Cut der Veränderungen seither, ohne all' die Zwischennuancen im Blickfeld der Jahre dazwischen. 

Opa's treu-loyal-liebende Lebensgefährtin hat auf den Monat genau nach 10 Jahren die Reise zu ihm zurück angetreten und darf nun auch die Ewigkeit mit ihm teilen. 

Den Get A Life Shop gibt es mittlerweile nicht mehr. Puke Music gibt es auch nicht mehr. Bernd lebt leider nicht mehr. 

Und das Gros des einstigen Flairs in der Ecke Samariterstrasse/Rigaer Strasse ist der Gentrifizierung gewichen, bis auf wenige Hoffnungsflecke, die den Herzschlag Friedrichshains noch spürbar machen. Aber es ist insgesamt gesehen eine Art Schere aufgegangen, zumindest gefühlt. Kleinere Punkkonzerte haben drastisch abgenommen. Vielleicht mit ihnen auch die Ideen? Punk Rock ist längst in der Gesellschaft angekommen und wird leider von vielen als Lebensbegriff be- bzw. ausgenutzt. Nicht, dass ich das jetzt elitär meinen würde, nein, gewiss nicht, denn auch Punk ist auf andere Bereiche übergeschwappt, da hineingewachsen. Es ist nur so, dass Punk zwischen "in sich selbst etwas gefangen" und "bedingungsloser Freiheit/freier Entfaltung" nicht so richtig vom Fleck wegkommt. Aber irgendeiner verdient immer an etwas, dass er/sie nie richtig gefühlt, gelebt oder gar begriffen hat. 

Am Ende des Tages zählt, dass Punk noch lange nicht tot ist und sich weiterentwickelt. Zudem hat sich mit Arzig Promotion und Eventservice auch ein alter Weggefährte zurückgemeldet und veranstaltet wieder liebevolle Konzerte (u. a. im Punk- und Metal Bereich), ganz so wie einst in Zusammenarbeit mit Puke Music, u. a. feiert das Original des "Sylvester Warm Up" im Lido in diesem Jahr seine kult-ehrwürdige Rückkehr. Die, die einst bei dieser bis unter's Dach des Siedepunktes alljährlichen Sause dabei waren, werden wissen, was ich meine... die Hoffnung mag im Koma gelegen haben, aber sie ist zumindest stellenweise wieder spürbar, abgesehen von der Gesellschaft, zu der ich nun abschließend in dieser Rückschau des Zurückverstehens kommen möchte.

 

Und sonst so... Oktober 2.009?

- Die NATO startet nach einem Taliban Angriff auf ISAF-Soldaten (*ISAF = International Security Assistance Force; 2.001-2.014) eine Offensive gegen die Taliban

- Renate Künast und Jürgen Trittin werden neue Bundestagsfraktionsspitze der Grünen

- Die EU-Kommission verhängt gegen mehrere Transformatoren-Hersteller eine Kartellstrafe in Höhe von 67,6 Millionen(!) Euro und leitet dazu auch Defizitverfahren gegen Deutschland und weitere 8 EU Staaten ein

- In Bayern tritt der Innensekretär Bernd Weiß nach einem Streit mit Ministerpräsident Seehofer zurück. Der Grund: ein Streit um Digitalfunk.

- In Rom wird Berlusconis Immunität aufgehoben

- Die iranische Regierung beschuldigt die USA mit dem mysteriösen Verschwinden des Kernphysikers Schahram Amiri zutun zu haben. Die ominösen Stories um Amiri reißen bis zu dessen ebenso seltsamen Todesumständen nicht ab.

- In Erlangen bringt eine Wachkoma-Patientin erstmals ein gesundes Kind zur Welt.

- 70 Jahre nach der Schließung wird in Berlin das Neue Museum auf der Museumsinsel wiedereröffnet.

- Ursula von der Lyen und Wolfgang Schäuble wird der Big Brother Award verliehen

- In Uruguay erhält jedes Grundschulkind ein Notebook von der Regierung.

- Die Quelle GmbH wird nach 82 Jahren Bestehen "liquidiert".

- Nach mehrwöchigen Verhandlungen stellen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP; † 2.016) und Seehofer (CSU) das Regierungsprogramm für die Legislaturperiode vor. 

- Norbert Lammert (CDU) wird erneut zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.

- Als erstes Bundesland senkt Bremen das Wahlrecht für Wahlen auf das Mindestalter von 16 Jahren.

- In Honduras einigen die Putschisten sich mit Staatspräsident Manuel Zelaya auf eine Lösung der Verfassungskrise.

- Die Sex Pistols lösen sich (einmal wieder) auf. 

 

Global gesehen vergeht auch vor 10 Jahren der Monat nicht ohne Attentate, Kriegsopfer und Unfälle. 

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