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FRIEDEMANN "Ich leg' mein Wort in Euer Ohr"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

09-2018

Label: 

Genre(s): 

Wenn man die Doppel-Liveplatte "(Unterwegs)" (*2.017) von Friedemann ausklammert, ist das letzte Album genau genommen schon 2 Jahre her, logisch, dass da etwas Hunger auf neues Material von dem straight offenen Rügener Inselaner aufgekommen ist. Und so wie es dem potentiellen Zuhörer/-in erging, erging es wohl auch dem durch den Motörhead ge-/angetriebenem Friedemann, bei dem so sich so einiges an Material angesammelt hat. Das "Material" von dem ich spreche kommt wie immer aus der Mitte des Lebens, aus der Sicht eines Menschen, der sowohl den Großstadtwahnsinn-, wie auch den kleineren, ländlichen Wahnsinn kennt. "Ich leg' mein Wort in Euer Ohr" klingt von der Titelgebung etwas pathosgeschwängert und erinnert so ein klein wenig an das wohl bekannteste, religiöse Buch der Menschheit. Immer wieder verschrieb ich mich bei meinen Finalgedanken zu diesem Album, verführt vom bekannten Spruch "Ich leg' mein Herz in Euer Ohr", wenngleich ich im Moment nicht einmal drauf komme wer genau das gesagt hat?! (*sollte jemand darauf kommen, so kommentiert doch bitte mit Eurer Antwort unterhalb; Danke!) Vermutlich hat Friedemann sich zwar sicher im Stillen seines Daseins auch schon mit dem Thema Religion etc. ernsthaft beschäftigt, jedoch wird er bei der Albumtitelgebung sicher keine Religion im Sinn gehabt haben, wenngleich die vielen Verzweigungen der Religion und die damit einhergehenden Konflikte sicher auch mit in dieses zeitdokumentierende Album und die Gedanken Friedemanns eingeflossen sein mögen, zumindest vom Unterholz des Alltags her. Erneut hat Conny Ochs, der mittlerweile fest zum Friedemann Team gehört, das Coverartwork entworfen, das mich im ersten Moment stilistisch spontan an die C.O.R. Platte "Lieber tot als Sklave" (*2.015) erinnerte. 

Wo "Glück" das letzte Album abschloss, beginnt Friedemann seine neue Fahrt durch's Leben direkt mit dem Albumtitelstück "Ich leg' mein Wort in Euer Ohr" (Track 1) und tut dies auf vertraute Weise. Dieses Mal spürt man in den Zwischenparts, dass Friedemann mehr mit Tönen spielt, während der Rest etwas glatter/runder wirkt. Mit "42" (Track 2) trifft er folgend die Zahl, die auch meine bisherige Lebensspanne für ein Jahr umschreibt. Hörbare Gelassenheit, milde Fragen kommen mir in den Sinn, wenn ich gerade diese Stück immer wieder höre, die in verträumt balladeske Strukturen eingebettet liegen wie ein Tagtraum eines ruhigen Momentums. Und während man sich dem Lied überlässt, erwischt man sich beim Mitsuchen nach diesem einen-, nicht greifbarem Etwas. Kurzzeitige Tiefe weicht gegen Ende einer Art tonalem Morgentau, um dann direkt mit "Ja, sicher" (Track 3; Anspieltip I) in eine plötzlich einfallende, freudige Mitnickstimmung mitzureißen, während Zwinkern und Lockerheit im Acoustic Rock den Ton angibt. Stilistisch fährt hier nichts fest, so viel ist bereits an dieser Stelle sicher. Als wolle Friedemann genau das unterstreichen, geht es im leichten Countryflair weiter. "Orange" (Track 4) kommt teils etwas sperrig bis schräg, hat allerdings auch die Einfachheit des Landlebens auf den Blättern. Auf jeden Fall eines der Stücke, die etwas gewöhnungsbedürftiger sind.

Nachdenklich poetisch wie ein guter Independent Film auf Arte kommt "Die Alternative" (Track 5; Anspieltip II) mit Feierabendgedanken, die den Teppich in die Nacht ausrollen und dann unvorhersehbar schönen Rock e-verstärkt mit Nachdruck losbrechen lassen und eine klare Absage an eine bestimmte Partei erteilen. Man muss nicht einmal die Grundschule absolviert haben, um zu verstehen. Starker Text, empathische Message - aus meiner subjektiven Sicht ein Stück, das klar bestätigt, dass auch Musiker Mitspracherecht haben dürfen, weil sie die stillen Gedanken vieler ver-/bestärken und ihnen einen berechtigten Platz in diesen nicht immer einfachen Zeit geben. Als Randnotiz sei erwähnt, dass dies mit 6:10 Minuten auch das längste Stück des Albums ist. Gefühlt aber kürzer ausfällt. "Eigensinn" (Track 6) geht experimentierfreudiger mit abwechselnden Stilfacetten/Parts fast schon zurück auf so manches Stück von The Merlons of Nehemiah, was überraschend genug ist, gerade weil man dies so gar nicht erwarten konnte. :-) Und genau dann, wenn die Zündung zum kollektiven Beinschwingen kommt, findet man sich in ruhigeren Läufen wieder, die noch mehr unbegrenzt-freien Tiefsinn via "Dafür das Leben" (Track 7) mitbringen und den Singer/Songwriter Ansatz erneut Raum zuverleihen. Kein Text ist lose zusammengeschriebener Notizbrei, das merkt man wieder einmal. Am Ende fragt man sich tatsächlich für was genau man lebt. 

"Frieden" (Track 8; Anspieltip III) spricht inhaltlich von der Kriegsmüdigkeit und von zu vielen Todesopfern klar benannter Orte, das Ganze musikalisch auf diese Weise zu verpacken hat etwas eigensinnig Positives für sich, gerade weil sich das Stück recht schnell ins Ohrzentrum schleicht. Ob sich Friedemann möglicherweise sogar von K.I.Z.'s "Ellbogengesellschaft (Pogen)" zum folgenden "Ellenbogen" (Track 9) hat inspirieren lassen, weiß ich zwar nicht, die Message-Intention ist aber vom Basisgedanken doch sehr ähnlich. Friedemann spielt dabei mit der menschlichen Anatomie - da muss man auch erst mal drauf kommen. Musikalisch bleibt es dezent und auf's Wesentliche reduziert. Ganz anders als bei "Flugzeug. Liebe. Volkszorn" (Track 10), das sogar tanzbar bleibt und etwas zu sagen hat, dass sich vielleicht nicht jedem sofort erschließen mag. 

Selbst Barlounge-Blues Musik hat Friedemann in petto und erteilt mit "Ich nicht mehr" (Track 11) eine weitere Absage, dieses Mal kann man diese in mehrere Richtungen deuten. Wie bereits angedeutet versucht Friedemann sich mehr an verschiedenen Stilen, was etwas experimenteller anmutet und sich anfangs etwas gewöhnungsbedürftiger anfühlt. Am Ende aber kann man nur bewundern, dass Friedemann sich so befreit hat - "Sinn" (Track 12). Wenn man sich angehörs "Was ich alles kann" (Track 13; Anspieltip IV) vergegenwärtigt bzw. sich zurückerinnert wie Friedemanns musikalische Soloreise mit "Uhr vs. Zeit" (*2.014) begann, stellt sich erneut eine Art Grundrespekt ein, dass er sich nicht vom "Musikbusiness" hat vereinnahmen lassen, Angebote mag es mit Sicherheit einige gegeben haben. Da "Seesucht" (Track 14; Anspieltip V),das eigentliche Finalstück dieses Albums, mir vorab nicht vorlag, konnte ich nur ein Teilstück online hören, diese Teilstück von ca. 30 Sekunden jedoch lässt erahnen, dass auch dieses Stück "Meer" in sich trägt, vor allem für all' jene, die den Gedankenwellen Friedemanns gern zuhören. 

Insgesamt hat dieses Album zwar viel Gedankentiefe inne, die man allerdings größtenteils recht leicht verdaulich gestaltet hat, wenngleich es gerade die ruhigere Atmosphäre ist, die dieses Album über weite Strecken atmen lässt. Dieses Album braucht etwas mehr Zeit und Liebe im Ohr als die bisherigen Alben, das sagt allerdings nicht zwingend etwas über die Qualität aus, sondern eher darüber, dass auch gut Ding (entgegen aller Instant-Gewohnheiten in der Gesellschaft) weilen möchte.  

7,35/10 Schafe Schüsse

(Exile On Mainstream Records/Soulfood 2.018)

https://friedemann-ruegen.de/

https://www.facebook.com/Friedemann.ruegen/

Danny B

Schaf Schüsse: 

7
Eigene Bewertung: 7

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