Bild des Benutzers DannyB

ESCHENBACH "Mein Stamm"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

04-2019

Label: 

Genre(s): 

Gemeinsam von Ben Tewaag (*Sohn der Schauspielerin Uschi Glas) und Phlipp Eschenbach unter anderem Namen gegründet, hat sich die Band, die anfangs immer etwas von Projektcharakter innehatte, zu einer amtlichen Adresse gemausert. Noch während der ersten Albumaufnahmen kam es bereits zum Wechsel am Mikro, während man den Support von Stephan Weidner (*Böhse Onkelz; Der W), Nina C. Alive (*Skew Siskin) und der Band Yen als kollegial-herzliche Starthilfe mit an Bord hatte, was sogar bis in die Charts führte. Nicht nur, dass man auch mit kultigen Bands wie Dog Eat Dog, Pro Pain oder Toxpack die Bretter der Welt teilte, nein, auch die Namen der Gäste über die Jahre lesen sich wie ein Querschnitt durch die bunte Musiklandschaft. Da man Eschenbach dennoch nicht auf sogen. "Namedropping" runterbrechen/reduzieren kann, sollte vorab selbstredend auch klar sein. 

Mit "Mein Stamm" kam quasi gerade erst nach 7 Jahren ein neues Lebenszeichen dieser immer etwas ins Abseits der bewussten Wahrnehmung gekommenen Band heraus, das auch "erst" das dritte volle Album ist. "Mein Stamm" markiert nach dem Ausscheiden des langjährigen Sängers Ritchy Schwarz (*2.008-2.015) einen weiteren Meilenstein der Bandgeschichte, die von nun an mit Komi Mizrajim Togbonou am Mikro in eine neue Zeit geführt wird, der manchen von Euch auch als Moderator des "Matapaloz" Festivals 2.018 bekannt ist, bei vielen aber als "der Neue" im Eschenbach Kreis erst einmal vorlegen muss. Eschenbach wussten sicher um diese Tatsache und scheinen den Spieß einfach umzudrehen, indem sie die Frage "Wer bist du" (Track 1) direkt an den Hörer stellen. Irgendwie macht das direkten Weges doppelten Sinn, denn bevor man von Anderen wissen möchte wer sie sind, ist es fundamentgebend gut, wenn man weiß wer man selbst ist. ;-) Musikalisch ummantelt vom Eschenbach-eigenen lockeren Rockdrive, der ziemlich gut reinläuft, ohne sich zu penetrant ins Ohr zu drängen. Was Eschenbach direkt vom Gros des deutschsprachigen Rockgenres unterscheidet, ist das musikalische Futter, das um den Kern der Texte herumrotiert. Kein harter Zug in eine bestimmte Richtung, sondern einfach schön lockerer Lauf, was auch bei "Fahrstuhl zum Schafott" (Track 2; Anspieltip I) so bleibt. Besonders die Percussion führt hier zusammen mit Bass- und Gitarrenläufen ein Gemisch aus Funk und Rock an, ohne zu schwer zu wirken, trotz dessen, dass es hier inhaltlich um die Thematik Fallen und Wiederaufstehen geht. Die nahezu perfekte Basis, um mit "Falschmelder" (Track 3; Anspieltip II) eine Spur mehr Bodenhaftung rauszufahren und in groovige Rockgefilde abzubiegen. Ein zeitgemäß oft besprochenes Thema wurde hierbei mal anders umgesetzt, als man es quasi gewohnt ist, so dass man nicht das Gefühl hat, dass hier eine Überdosis Ego mitatmet. 

Ganz anders das fast schon zartbesaitete "Klein" (Track 4), das mit 'ner Menge greifbaren Fingerspitzengefühl von Komi Mizrajim Togbonou recht emotional umgesetzt wurde. Es scheint fast so als hätten Eschenbach ihre neuen Stücken ihrem neuen Sänger auf den Seelenleib geschneidert. Lyrisch gesehen machen Eschenbach gerade ihrer phlisophischen Vielseitigkeit wegen auch auf dieser Ebene mehr her als so viele andere Bands dieser musikalischen Genre-Breiteng(e)rade(n). Dabei fährt immer mit, dass man etwas im Themenfokus hat, mit sanftmütigem Ausrufezeichen versehen. Solcher Art Ausrufezeichen, die wohl jede/-n berühren können und die Gedanken-Festplatte ggf. dahin zurückverbringen, wo noch das Herz mitschlägt - "Angst" (Track 5). Kurioserweise läuft dabei immer die untereschwellige Empfindung (subjektiv!) mit, dass Komi's Stimmfarbe gar nicht mal so markant aus den Reihen der Sängern dieser Zeiten hervorsticht, dafür allerdings einfach perfekt zu Eschenbach passt. Seine Betonungen sind wohlüberlegt und zünden genau deshalb so zielgenau. 

Eingangs sprach ich ja bereits das "Who is who" an, das mit den bisherigen Eschenbach Kapiteln untrennbar verbunden ist, diesem Punkt wird mit "Feuer" (Track 6) feat. Thomas D. (*Die Fantastischen Vier) erneut eine starker Name (mit Gehaltvollem im Innern) zugetragen. Von der Beatgebung und der atmosphärischen Rahmengebung denkt man anfangs kurz an Thomas D.'s Solowerke, was dank der Gitarrenexplosionen wie ein Kometenschweif zerstreut wird. Man hat das Gefühl das eigene Herz würde im Takt mitschlagen. Wellenartiges Surfreiten, getragen von der musikalischen Bewegung. Beim ersten Durchlauf hat dieses Stück zunächst einmal einen Wow-Effekt und will noch einige Male mehr gehört werden, bevor man das Gehörte etwas genauer/besser für sich selbst einordnen kann (rein musikalisch). Das fällt beim folgenden "Wieviel wovon" (Track 7; Anspieltip III) leichter, das sich rund um das Musikbusiness, bzw. um Konsum im Allgemeinen dreht. Crossover-getränkter Flow wird in Catchiness getaucht, die mich in kurzen Momenten minimal an die Hochphase der H-Blockx zurückerinnert. 

Was ich mit Eschenbach unterschwellig immer verband, ist eine gewisse Grundoffenheit für Experimentierfreude, was zunächst nicht zwingend bedeuten muss, dass es falsch sein muss, wenn man es musikalisch einfach mal laufen lässt. Genau das haben Eschenbach scheinbar auch bei "Egal wo du bist" (Track 8) getan, womit etwas Blues Rock Jam Session Charakter aufkommt, der dazu einlädt die Gedanken beim Blick 'gen Horizont/Himmel treiben zu lassen. Musikalisch/atmosphärisch so angenehm rund wie ein guter Rotwein, fern vom triebenden Funkgroove des anschließenden "Lauf" (Track 9). Man kann nur staunen wie lockerleicht stimmig Eschenbach hier reihenweise Songs mal eben aus der Hüfte zaubern. Und das irgendwo zwischen sexy Groove und Sofortzündung. Bislang kaum ein Stück bei dem man nicht irgendeiner Ebene gepackt und mitgenommen wird. Selbst das eher Country like beginnende "Kehrmaschinen" (Track 10), das sich vom Titel wie ein Augenzwinkern eines Rammstein Titels liest, nimmt mit, trotz der schwerwiegenden rostbesetzten Panzerketten, die hier durch die Gedankenwelt walzen und ein reales Bild malen, das etwas abschreckendes ins Gefühl verpflanzt/transportiert. Man hat unweigerlich das Gefühl, das die Menschheitsgeschichte eine Art Plagen-"Party" auf diesem Planeten ist. Unschön wahr und selten so greifbar nachvollziehbar umgesetzt gehört.

Nach dieser inwendigen Ohrfeige der personifizierten Menschheit weicht das "Blut" (Track 11) erneut blues-ig und setzt mit "Magie" (Track 12) den Schlusspunkt hinter dieses echt starke Album, das an diesem Punkt noch einmal etwas wagt, das mit dem Experimentiercharakterzügen spielt. Alles in allem kann das jedoch nichts am festen Stand dieses wirklich saustarken Albums ändern. 

9,5/10 Schafe Schüsse

(Laute Helden/SPV 2.019)

http://eschenbachband.com/

https://www.facebook.com/ESCHENBACHband/

Danny B

Schaf Schüsse: 

9
Eigene Bewertung: 9

Review No.: 

Tags: