Bild des Benutzers DannyB

ENVY "The Fallen Crimson"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

02-2020

Label: 

Genre(s): 

In der Musikszene Japans scheint sich nicht erst in den letzten Jahren eine Menge zu tun, wovon man in Europa, trotz weltweiter Ver-Inter-Netzung, nur bedingt viel mitbekommt. Woran das liegt, ist Spekulationsfutter. Im Falle einer Band wie Envy, die bereits seit 28(!) Jahren dem harten Post-Core (im Sinne von Hardcore; lt. Labelinfo) mit ihrem Screamo Core Leben einverleiben, ist das allerdings eine größere Frage. Zumindest hat das schottische Label Rock Action Records Notiz von den Japanern genommen und den europweiten Vertrieb direkt übernommen. Vermutlich ergab sich im Zuge dessen auch vermutlich auch 2.006 zu einem Guest Part (bei der britischen Post-Rock-Band Mogwai auf deren Album "Mr. Beast") des 2.016 bis 2.018 kurzzeitig ausgestiegenen Original-Envy Fronter Tetsuya Fukagawa. Angesichts/-gehörs des wirklich stattlichen, umfassenden Envy Backkatalogs ist das auch kein großes Wunder. 

Bis auf zwei Positionen (Schlagzeug und Gitarre) ist die sechsköpfige Band original verblieben. Ich war echt gespannt ob/wie deren Sound meinen Ohren wohl munden würde, zumal ich von Envy im Vorfeld bewusst kein Stück auf dem inneren Schirm hatte. Zeit das zu ändern.

Wie gesagt, Japan ist nicht das vertrauteste Szenepflaster, obwohl ich z. B. die Metal Band Reverge 2.019 für mich entdeckte und von deren coolem Old School Sound echt angetan war, bzw. es noch immer bin, was u. a. der Core-igen Stileinflüsse wegen auch so ist. Man möge mir also im Fall von Envy verzeihen, um die es ja letztlich ja geht, dass ich keine Vergleiche mit vorherigen Alben mit einfließen lassen kann, da ich wie gesagt kein Stück Note von ihnen bewusst kenne. ;-) 

Das in dezenten Farben gehaltene Coverartwork lässt im Vorfeld eher an Spiritual Rock denken. Rein covertechnisch also eher untypisch, was wiederum sympathisch kommt, denn mal ehrlich wer will von jeder auch nur ansatzweise Core zugeneigten Band anno 2.020 noch Coverartworks im '80/'90er Jahre Gang-Ghetto-Style sehen?! Dafür gibt es Bands, die das authentischer aus ihren angestammten Hoods heraus ins Rund shouten. Mit "Statement Of Freedom" (Track 1) ertönt der Opener, der direkt an die heutige Sepultura Besetzung erinnert und positives Erstaunen bei mir entfesselt(e). Die dabei eingestrickten-, ansatzweise fast schon epischen Parts zeigen sich inmitten der teils stattfindenden Spoken Word-artigen Performance tatsächlich in interessanten Hörwinkeln. Man sagt ja, dass der erste Eindruck zählt und das tut er in diesem Falle tatsächlich. Ohne, dass ich irgendetwas erwartet hatte, wurde ich angenehm überrascht. Selbst das ebenfalls sehr Epic/Spritual Rock durchtränkte "Swaying Leaves And Scattering Breath" (Track 2) weiß mit viel Tiefe und eher ruhigeren Momenten zu bestechen, was viel Melodik in sich trägt und mitzunehmen weiß. Insgesamt denke ich nach Vergleichen suchend z. B. an Mono oder stellenweise auch an Long Distance Calling. Spätestens mit dem Beginn von "A Faint New World" (Track 3; Anspieltip I) frage mich beim Erstdurchlauf noch kurz, ob man bei dieser Band noch die "Core Etikettierung" braucht(?) und werde kurz darauf von Screamo Stileinschüben unterbrochen - die Frage hat sich also selbsttönend beantwortet. Die Envy Spielweise weist dabei sogar Progressive Einflüsse auf, die echt gut und knackig kommen. Die Art wie Envy ihre Emotionen mittels ihrer Mucke transportieren weiß, dank der Vielfältigkeit, zu gefallen. 

Nicht einmal der zarte Frauengesang zu Beginn von "Rhythm" (Track 4; Anspieltip II) überrascht, wenn man quasi mit allem rechnet. ;-) Wem genau die weibliche Stimme gehört, die bei diesem Stück zu hören ist, wurde in der Beiinfo leider nicht näher benannt, was eine echte Unterlassungssünde ist, da gerade dieses Stück großes Breitbandkino auf mehreren Ebenen mitbringt, wenn auch fern von Core-Stilfeldern. Wer es verträumt mag und Seelenbalsam in Musikform sucht, ist hier goldrichtig. Konträrkontrast dazu bildet das wilde, ungeschliffen wirkende "Marginalized Thread" (Track 5) in direkter Folge. Hier shoutet Tetsuya Fukagawa fast wie ein bellwütiger Hund, dem sich im Mittelteil erneut der weibliche Gesang in etwas anderer Auslegung beimischt und alle schroffen Kanten fast vollkommen besänftigt. Bereits an dieser Albumstelle kann man sagen, dass Envy den Bogen sehr weit aufspannen und ziemlich frei von Schubladen ihren Sound zelebrieren und fast wie einen Drachen im Wind fliegen lassen - immer abhängig von den äußeren Gegebenheiten/Umständen. Womit "HIKARI" (Track 6; Anspieltip III) erneut in etwas low-ere Wege tönt und durch das etwas gedrosselte Tempo eine Epic Atmosphäre entsteht, die vom Klang her, trotz minimalistisch wirkender Textfetzen, in inwendige Weitenrundumbilder entführen. Klanglich dieses Mal sehr, sehr nah an Mono, was jedoch nicht stört, da es sich dennoch nicht nach Copycat klingt. 

Lediglich ähnlich ausfallende Ruhepolparts kommen mir immer wieder kurz mit Fragezeichen durch den Verstand geschlichen, so wie das zu Beginn von "Eternal Memories And Reincarnation" (Track 7) der Fall war. Dafür beantwortet sich selbstredend die Frage nach der stilistischen Auslage spätestens bei diesem Stück. Ich würde die Mucke von Envy als "Spiritual Epic Core Rock" umschreiben, eben weil sich der Stil kaum wirklich festlegen lässt, was auch völlig in Ordnung ist. "Fingerprint Mark" (Track 8) geht musikalisch, wie auch gefühlt, wieder stärker dahin zurück, wo der Opener dieses Album eingeläutet hat. Der Unterschied zum Opener ist jedoch das muntere Durcheinanderwürfeln der Vocal-Stilmittel-Parts, was letztlich funktioniert. 

Mit "Dawn And Gaze" (Track 9; Anspieltip IV) folgt das zweitlängste Stück auf "The Fallen Crimson". Zu Beginn episch wie auf weiten Strecken dieses Albums, was kurzzeitig sogar in eine Art Hörspielatmosphäre führt, um dann auch wieder die rauhe Schale per Screamo Vocals zu veräußern. Auch hier rührt erneut der Freiflug auf den Federspitzen innere Fantasien und epische Bilder auf. Letztlich macht es die (Album-)Länge umso schwieriger sich den noch verbleibenden Stücken mit voll(st)er Aufmerksamkeit zu widmen. Gut, dass sich (zumindest) der Beginn von "Memories And The Limit" (Track 10) stärker von den bisherigen Stücken abhebt. Auch hier nutzt Fukagawa das Stilelement der Erzählerform. Schade nur, dass mir keine Songtexte vorliegen, gern wäre ich näher auf die Inhalte eingegangen, die ich nur schemenhaft hörend herausfischen kann oder ggf. anhand des Songtitels erahnen kann. Der längste Schritt auf diesem Album gehört im Finalgang "A Step In The Morning Glow" (Track 11). Und genau so episch bis cineastisch wie der Titel selbst, legen Envy hier noch einmal einen Lichtguß per Instrumentalisierung hin, das man kurzzeitig fast ein wenig überfordert ist, weil man diese federleichte Tiefe der Musik kaum fassen/sich begreifbar machen kann. Schade nur, dass sich nach knapp zwei Minuten der Aufbau zu wiederholen scheint und man unweigerlich an das vorangegangene Stück denkt. Erst als wieder mehr Dramatik einzieht, kommt man gedanklich wieder näher ans finale Licht. Alles in allem ein beeindruckend epochales, episches Gesamtwerk, das man in bestimmten Stimmungslagen immer wieder hören kann. 

V.Ö.: 07.02.20

 

7,95/10 Schafe Schüsse

(Pelagic Records/Cargo Records 2.020)

https://www.facebook.com/envyOfficial.jpn/

Danny B

Schaf Schüsse: 

7
Eigene Bewertung: 7

Review No.: 

Tags: