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CIERŃ "The Emperor Rx"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

05-2022

Label: 

Genre(s): 

So weit ich es überblicken kann, scheint es die Berliner Dark Anarcho Post-Punkband Cierñ, die ich irgendwo in der Schmelztiegelkelch von Batcave/Dark Punk/SteamPunk/Gothic verorten würde, seit 2.019 zu geben, zumal im Februar 2.020 erste Zeichen der Existenz via eigener Bandcampsite veröffentlicht wurden. Die Wahlberlinerin Devi-, ihres Zeichens Sängerin von Cierñ und auch mit mystischem "Hexenwerk" vertraut, verriet mir im Vorfeld, dass sie eher zufällig zum Posten als Sängerin kam. Hat man sich bei Cierñ aber erst einmal eingehört, kann man sich Devi aus diesem Quartett gar nicht mehr wegdenken, zumal auch das hier vorliegende Debütwerk (limitiert übrigens auch auf Vinyl erhältlich) "The Emperor Rx" unter dem Einfluss von Tarotkarten entstand, was auch die Themenbreite selbstredend: "The Emperor Rx is influenced by the tarot card The Emperor when it is reversed (Rx) in a reading. It signifies abuse of power, totalitarian states, corruption, loss of control, weakness, instability and megalomaniac tendencies.." (Zitat von Cierñ) erklärt. (zu dt.: "The Emperor Rx wird durch die Tarotkarte der Kaiser beeinflusst, wenn sie in einer Lesung umgekehrt (Rx) wird. Es steht für Machtmissbrauch, totalitäre Staaten, Korruption, Kontrollverlust, Schwäche, Instabilität und größenwahnsinnige Tendenzen.) Also alles Dinge, die gegenwärtig stark im Fokus gegeben sind, abgesehen von den "Kaisern" in wörtlichem Sinne. Dafür hat die Welt aktuell aber mit so einigen Diktatoren zu kämpfen und das nicht nur sprichwörtlich. An sich ist das alles schon vorab realistisch und düster genug, umso gespannter war ich vor dem Erstdurchlauf wie sich das alles musikalisch anhören würde, ohne zu bedrückend zu sein/zu werden?

Per 25 Sekunden "Intro" (Track 1) brandet mystische Grundstimmung auf, die in "Reclamation" (Track 2) führt und schönen Badcave/New Wave/Dark Rock wohlig inszene gesetzt hören lässt und an Bands wie Passion Noir, The Cure, Clan Of Xymox, The Damned denken lässt, während Devi über Rückbesinnung/Rückgewinnung per Geisterstunde singt und dabei auch eine Art Tribute für Siouxsie Sioux (And The Banshees) setzt. Wenn man dann "Bloody Rites" (Track 3; Anspieltip I) hört, kommt es einem vor als hätten Cierñ nie etwas anderes als diese Art von Mucke gemacht. Wenn der Aufruf zum "Waffenstillstand!" immer genau so- und überall auch so tanzbar catchy klingen würde, hätte die Welt keine Kriege mehr. Dieses Stück lässt einen so richtig schön in den Nebel der Clubtanzflächenerinnerungen abtauchen und ruft so manch' liebgewördene Bilder ins Kopfkino zurück, die man selbst bei diversen Gothic Partys und/oder dem WGT erlebt hat. Ich habe selten eine Band gehört, die zeitgemäße-, jedoch schwierige Themen wie diese mit solch' einer gefühlten Leichtigkeit in Musik verpackt hat - "The Emperor Rx" (Track 4; Anspieltip II). Inmitten von Siouxsie And The Banshees/The Cure verschmolzenen Bassläufen (inkl. Rahmeninstrumentierung), die die Säulen dieses fiktiven Tonalraumes sind, werden Schlagwörter wie "Domination. Subjugation. Abuse of power." (zu dt.: "Herrschaft. Unterjochung. [auch unterwerfung] Machtmissbrauch.) per flüssigen Lauf und abwechslungsreich gestalteten Arrangements ins Zentrum des Bewusstseins getanzt. Immer wieder denkt man beim Hören sich selbst fragend, wann die Menschheit falsch abgebogen ist und es nicht mehr den indigenen Völkern gleichgetan hat, indem sie ihre "Dämonen" weggetanzt hat?! Abgesehen von vereinzelten "Sundance" Zeremonien in Übersee oder den Break-Dance Battles in den '80er Jahren- oder von mir aus auch diversen Raves, ist davon nicht mehr viel übrig. Einfach wegtanzen? Ist das nicht doch ein bisschen zu einfach? Warum unnötig erschweren, wenn die Lösung einfach sein kann?! Cierñ ist mit dieser Mucke ein kleines (um nicht zu sagen geniales) Wunder gelungen, denn man ist quasi sofort angefixt und kann sich der leichtfüßigen-, wenn auch leicht düsteren Mucke/Atmosphäre nicht enziehen, jedoch ohne dass diese zu bleiern-alltagsschwer ausfällt. Im Gegenteil, man kann hier via Hören eine ganze Menge Alltagsballast abwerfen, ohne direkt Amok zu laufen. Krank und irre genug ist diese Welt ohnehin schon. 

Leicht experimenteller wird es bei "Shadows" (Track 5) bei dem vor allem die Gitarre mehr Schliff mitbringt und den Gesamtstil etwas rockiger gestaltet, ohne den Kernstil zu (zer)stören. Der atmosphärische Sog saugt einen hier förmlich an/ein und steigert damit auch das Tempo in Richtung Up(wards)tempo, was dann auch die Punk Rock Nähe deutlicher unterstreicht. Dass es auch hier sozialkritisch-hinterfragend zugeht, könnt Ihr selbst beim Lyrics-Eintauchen checken. Spätestens bei "Glass Houses" (Track 6; Anspieltip III) ist es auch an der Zeit die Produktion mal respektvoll zu loben, denn der Gesamtsound, der dem der '80er/'90er Jahre entspricht und ausgewogen eingängig besticht, ist verdammt catchy. Da "Glass Houses" auch eher im Midtempo unterwegs ist, fällt dieser Sound dementsprechend auch stärker ins Gewicht und ist dabei das Zünglein an der Waage. Vom Gesangsstil her fielen mir hier stellenweise (auf schön natürliche Weise) The Cranberries, resp.  Dolores O’Riordan (R.I.P.), Einflüsse in Sachen Intonierung auf, die mit dem Cierñ Sound zu etwas be-, bzw. verzaubernden verschmelzen. Hexenwerk? ;)

"Persephone" (Track 7) schließt dabei nahtlos auf und hält den Fluss, der hier als Tribut unseres Mutterplaneten Erde (*zumindest interpretiere/verstehe ich Lyrics & Content so) in Bewegung gehalten wird. Da darf es natürlich auch mal intimer/persönlicher werden - "Vivus Sectio" (Track 8), was vom Titel her eine etwas chirurgische Fiktion malt, die auch das Horror/Hexenbild/-klischee bedient und mit "Wildfire" (Track 9; Anspieltip IV) mittels Wertschätzung des Tieres (in dem Fall steht des Salamanders im Fokus) weitermalt und gedanklich zur spirituellen Transzendenz ansetzt, was das Gesamtgemälde dieses Albums weiter komplettiert. Die HorrorPunk/Psychobilly entliehenen Elemente- und gut eingewebten Versatzstücke lassen dabei die Eigendynamik im Flow bleiben, wodurch sich "Wildfire" (wie auch einige andere Stücke auf diesem Album) den DJs und DJanes meridianenweit global im Selbstlauf empfiehlt. Das "Outro" (Track 10) schließt den Kreis vom Ansatz dann dort, wo dieses Album begonnen hat. Man muss allerdings sehr genau hinhören, um zu verstehen, was hier zu Ohren kommt. 

In Sachen Gothic/Dark Rock/ DüsterPunk Rock Schnittmengen/Brücken für mich das (nicht nur) dieses Jahr betreffend beste Album, das mir bislang zu Ohren kam. Nicht zu überproduziert, nicht zu sehr nach digital klingend und sehr stark im Flow bleibend, obwohl das paradox anmuten mag, da diese Welt aktuell so gar nicht im Flow/Gleichgewicht ist... 

V.Ö. 01.05. 22

 

Schafe Schüsse Hammermarke!

1010 Schafe Schüsse

(Cierñ 2.022)

https://www.facebook.com/ciern.berlin

https://ciern.bandcamp.com/

Danny B

Schaf Schüsse: 

10
Eigene Bewertung: 10

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