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BÖHSE ONKELZ "Böhse Onkelz"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

02-2020

Label: 

Genre(s): 

40 Jahre Böhse Onkelz. 4 Satzteile, 4 Charaktere, 4 Schicksale - verbunden 14.000(!) Tage und mit Millionen von Fans aus verschiedenen Teilen und Gesellschaftsschichten dieser Welt. Die Geschichte um diese "gehasst-verdammt-vergötterte" Band besteht aus Scherben, Saufgelagen, aus purem Rock 'N Roll, deren Paten aus Rose Tattoo, Motörhead, AC/DC, diversen Blues Rockikonen, aber aber aus dem schnoddrigen Klüngel der Sex Pistols, Sham 69, Cockney Rejects, The Clash u. v. a.. Wer die Geschichte dieser vier je intensiv und (möglichst) objektiv (wobei es immer subjektive Berührungspunkte gibt) betrachtet hat, fernab von Shitsorm-Presse, die mindestens über zwei Dekaden der Bandgeschichte wie nasses Klopapier an deren Ärschen pappte, der/die wird zur Schlußfolgerung kommen, dass hier keine austauschbare Band den Weg zum Olymp gefunden hat, sondern eine, die trotz Teilasthma auf manchen Wegstrecken, verdammt langen Atem und noch dickere Nervenstränge bewiesen hat. Ob man die Onkelz anno 2.020 mag oder nicht, man darf ihnen respektvoll zugestehen, ohne sich einen abzubrechen, dass sie Musikgeschichte geschrieben haben. 

Die Onkelz waren in den letzten 40 Jahren wie ein Schmerz-Tampon, der viele Tränen dort aufnahm, wo diese gerade passierten. Ein bildlich gesehen vielleicht derber-, unsensibler Vergleich, jedoch passend zu den rauhen Winden, die das Schiff aus F.a.M. so einige Male fast zum Kentern zwang, ja für gute 9 Jahre sogar in einen fetten Nebel jenseits aller Küsten schickte und die Band quasi in eine Art temporäres Bermudadreieck schickte. Aus dem Heute betrachtet musste das vielleicht alles so sein, denn letztlich stehen heute vier Onkelz in höchster Reifeblüte im Studiogang und auf den Brettern, die sich mehr denn je abverlangen. Auch das war schon immer Teil der 40 jährigen Geschichte der Onkelz - das höchstmögliche Level an Superlative, ohne Gedanken wirtschaftliche Kosten. Immer mit Stil und Ausrufezeichen (*Insiderrandnotiz "Onkelz wie wir..."). "Memento" ist nun auch schon ein Album, das seit 4 Jahren (*da war sie wieder die "fantastische 4", haha) auf den eigenen Beinen steht und aus meiner subjektiven Sicht wie eine Art logischer Baustein zu diesem neuen-, schlicht selbstbetitelten Album erscheint. Wer jetzt jedoch ein "Memento 2.0" erwartet (hat), irrt hässlich, brutal und... ach lassen wir das. ;-) Denn hier steckt mehr drin als der Ersteindruck zunächst erfassen kann. Die Teilvergleiche mit "Dopamin", die man im Vorfeld las und hörte, gehen zunächst in sofern auf, dass es mir persönlich zumindest beim Opener "Die Firma" damals ähnlich ging wie beim vollwertigen Opener dieses Albums. Es fühlte sich neu und anders an, ohne jedoch abzustoßen. Dieses Mal jedoch hat die "härteste Firma in der Stadt" zunächst einmal Ben Becker mitgebracht, der den "Prolog" (Track 1) eröffnet und das Album damit an das Audio-Hörbuch "Danke für nichts" (*2.018) erinnert, bzw. genau genommen (rückwirkend betrachtet) vielleicht sogar eine Art Erstschritt in Richtung des 40. Bandjahres bildete? Einzig Gitarrist "Gonzo" schickt hintergründig erste Töne voraus, die in "Kuchen und Bier" (Track 2) münden und mich zuerst einmal irgendwie an eigene erste AC/DC Berührungspunkte erinnerten. Beim Erstdurchlauf kam mir spontan "Walk All Over You" in den Kopf geschossen, was aber der fett-knarzige Basslauf von Stephan "Der W" Weidner mit Stacheldraht-Punk-gelikten Schleifchen verschnürt und Pe, inkl. Kevin komplettierend resümierend Punch ausladen. Die knappe (Feier-)Stunde ist eröffnet. Spätestens bei "Gewitter im Kopf, Flammen im Herz.." dürfte jede/-r Onkelz Fan zurück nach Hause kehren, was in den letzten Jahren nicht immer der Fall war. Damit meine ich jedoch nicht(!) diejenigen, die zum sturen Rechtsflügel der Verschwörungstheoretiker gehören, die meinen, dass die Onkelz versteckte, politische Botschaften an Bord hätten (was sie nie hatten!), was absoluter Mumpitz ist, denn spätestens seit "Deutschland im Herbst", "Ohne mich" sollte glasklar sein, wo diese Band steht. Kein Album also, um nicht einmal lauwarme-, meist von diversen Medienvertretern gern gepflegten Geschichten zu bedienen, die die Band selbst mehr als genug offen kommentiert hat. Selbst autorisierten Lesestoff gibt es dazu ja längst genug.  

Und damit zurück zum neuen Album. Die Erkenntnis "Kinder wie die Zeit vergeht..." ist zwar faktisch richtig, fällt aber allenfalls Oberflächenbesuchern in der Nachbetrachtung auf. Aus "10 Jahre" sind im gefühlten Handumdrehen 40 Jahre geworden. Da darf es schon mal einen witziges "...weckt die Dämonen und zündet die Bengalos" geben, das an Einstiegszeiten und an Lieder wie "Freddy Krueger" erinnert, jedoch das auch nur rein gedanklich. 

"Des Bruders Hüter" (Track 2) passt zum Einstieg in dieses Album lockerleicht auf die Neubeflügelung. Der Riff erinnert sicher nicht zufällig an "Auf gute Freunde", biegt dann aber nach 2.020 ab und kredenzt eine Art Aperitif vor dem eigentlichen Hauptgang in Sachen Hauptmenü. "Des Bruders Hüter" ist dabei ein typischer Onkel, der neue Kleider trägt und mehr denn je im Hier & Jetzt steht. Man merkt vom Sound her, dass es organischer und dynamischer zugeht, was die Band bei diesem Album so richtig auf Vier-Augenhöhe stehen lässt. Ein wichtiger Kernpunkt im Gesamten. 

Auch kulturell umspannen die Onkelz anno 2.020 noch mehr, zumal erstmals ein deutlich positiver-gefühlter Umgang mit den nicht wenigen Verlusten in all ' den Jahren zu vernehmen ist. Eine Art "Día de Muertos" (resp. "Día de los Muertos") auf "maininger" Art. Freilich "Nur die Besten sterben jung" oder auch "Der Platz neben mir I+II" sind Meilensteine, die unangefochten für immer stehen. Ein paar Tropfen Wehmut und Vermissen fließen hier auch definitiv mit, jedoch deutlich lockerer im Umsetzungslauf. Ich für meinen subjektiven Teil verstehe "Ein Hoch auf die Toten" (Track 4) als ewigwährende-, auf Lebenszeit bestehende Ehrerbietung denen gegenüber, die man für immer lebendig im Herzen hat. Die kleinen im Eigenfutter sitzenden Wunschmomente (bzgl. eines einzigen, lebendigen Momentes mit Betreffenden) sind dabei selbstverständlicher Teil des "damit Leben Könnens". Musikalisch vor allem dank des Flows und der mehrstimmigen Refrainparts amtlkiches Kino zum Gänsehautabholen. Besonders die Stimmfarbe von Kevin Russell steht hier erstmals bewusst(er) im Vordergrund, bevor Gonzos Soli Blitze an den Himmel, bzw. das rahmenlose Bild malen. Kevin Russell klingt noch eine Schippe stärker als auf "Memento" und variabler denn je, was erstmals bewusst auf "Ein böses Märchen..." und "Dopamin" die weicheren/melodischeren Seiten herauskehrte. 

Das folgende "Prawda" (Track 5; Anspieltip I) könnte der nachzüglerische Bruder diverser polarisierender Onkelz Stücke sein, zumal einige gerade diesen (eigentlich unmissverständlichen) Song zum Anlass nahmen und den Onkelz einen neuen Fallstrick drehen wollten, weil man meinte einen Pro-Song, damit also missverstehbaren-, für eine russische Propagandazeitung gehört zu haben. Was für ein Bullshit! In Zeiten in denen jede/-r ungefragt seine "Meinung" anhand loser-, völlig unreflektierter Gedankenfetzen in den Äther schwallen zu darf, wundert man sich anno 2.020 im 40. Onkelz-Jahr wahrlich über nichts mehr. Der Stachel scheint bei einigen zu tief zu sitzen, dass jeder Verschwörungstheoretiker nur noch staunen würde. Jeder, der/die auch nur ein Ohr, Sinn(e) hat, hört Sätze wie "...ein jeder ist ein Lehrer für die Narren dieser Welt..." mit dem Verstand, der zwischen Sarkasmus und Philosophie(n) ausholt, um die gegenwärtige Welt (z. B. Trump, Putin, Erdoğan, Jong-un) überspitzt in Frage zu stellen, zumal Prawda als Wort nichts anderes als "Wahrheit" bedeutet. Die Onkelz kehren hier mit flüssigem Rock zurück zu ihren musikalischen Stärken und genehmigen sich (mal wieder) etwas (mehr) Weltkritik, was ihnen verdammt gut steht. 

Da passt das thematisch völlig anders gelagerte-, bluesig beginnende "Saufen ist wie Weinen" (Track 6; Anspieltip II) nicht direkt in den Lauf, weiß aber mit schön punk-rockiger Gitarre und einer gefühlten Jam Session Atmosphäre (was einmal mehr unterstreicht wie viel näher an der Band sich das Album beim Hören anfühlt) aufzuwarten und mitzunehmen. Gerade dieses Stück dürfte ganz hervorragend ins Liveset für die Juibiläumstour passen. Wer hier einen "Freibier" oder "Heute trinken wir richtig" Reload erwartet hat, wird enttäuscht. Hier geht es um das tiefere Geschehen im Innern - "..es ist so laut in meinem Kopf..." und "...kann die ganze Welt bitte mal die Fresse halten?!", was für mich Schlüsselaussagen zur Thematik selbst sind. Ein verdammt großes Stück, das die Gefährlichkeit der Droge Alkohol ins Zentrum stellt, jedoch nicht den Spaß am Feiern nimmt. Rückwirkend betrachtet, ein Stück, das wohl besonders zu Kevin Russell's Wegen passt(e). Über Zweifel an der Authentizität ist dieses Stück, resp. die Onkelz als Band, so erhaben wie der "Berg" (wie von Stephan "Der W" Weidner vor einigen Jahren so treffend formuliert) an dem sich nicht Wohlgesonnene, Bild-Zeitungs-Niveau-Gazetten-Streber und Kritiker die Köpfe einrennen können. Und wenn man schon einmal bei Kevin Russell's, bzw. dem Weg der Onkelz ist, passt auch ein epischer Neuling (an Qualität, Tiefe und Weite regelrecht unübertroffen in der Gesamthistorie) "Wie aus der Sage" (Track 7; Anspieltip III) bestens ins Albumset. Ich stelle insgesamt auch hier erneut fest, dass alle vier Musiker auf Augenhöhe auf diesem Album präsent sind, was ein Meisterwerk in Sachen Produktion ist. Besonders der stimmliche Klang versetzt instant in Gänsehautschauer, immer wieder. Mit diesem Stück erhebt sich diese Band noch lange bevor sie im Rollstuhl sitzt. Allein schon dieses Stück überzieht den sprichtwörtlichen Berg mit einem abendlich-romantischen Sonnenschein, dass man nur noch genießen kann. Jeder Fan, der dank dieser Band harte Tage/Jahre durchgestanden hat, wird hier ordentlich Tränenwasser vergießen. Der Text stammt hier übrigens aus der Feder von Drummer Pe Schorowsky! Eine echte Überraschung. 

Das deutlich punkigste Stück auf diesem Album ist "Du hasst mich, ich mag das" (Track 8; Anspieltip IV) und lässt an s/w Bilder aus der Gründungsphase dieser Band denken als der Wahnsinn noch mit wildem Herzen und großem Maul im Bier mitschwamm. Die Lyrics verorteten ins Heute und lassen den Blick von der Bergspitze zu. Die Galligkeit in Kevin Russells Stimme konnte man zuletzt bei Veritas Maximus, bzw. oft auch Live bei Onkelz Konzerten so scharfkantig vernehmen, nun auch wieder auf einem Studioalbum. 

Zwar bin ich einer derer, die jegliche "Ohoohooohooo" Parts in Sachen Gesang/Gesängen mittlerweile dank diverser "Rookies & Kings" Produktionen und halbgarer Kopistenbands im Zuge der Thronbalgerei (zu Zeiten der in der Auszeit befindlichen Onkelz), eher zum Gähnen finden, wurde hier aber objektiv eines Besseren belehrt. Wenn es Sinn macht, darf auch das mal stattfinden. ;-) (und das meinem Munde...!)

Musikalisch liest sich die Handschrift aller vier Onkelz stärker in der Musik als in den Texten (wie es bereits auf "Memento" praktiziert wurde; bzgl. der Texte). Dennoch dürfte letztlich das Kernduo Röhr/Weidner hauptsächlich die ersten Funken zu diesem Album geschmiedet haben? Da sind es späte Zünder wie "Rennt!" (Track 9), die besonders vom starkem Akzent des Drumming und vom Basspulsschlag profitieren und die Blüte wachsen lassen. "...den Garten Eden abgeholzt mit Kettensägen." malt eine verdammt düstere Prognose, die von brillanten Gitarrensoli durchzogen werden und unserer Welt den Abgrund vor die netzwerkverschmierten Augen wuchten. 4D-BO Perspektiven quasi. Einer meiner persönlichen Highlights, wenngleich ich heutzutage klare Sicht und Sonnenschein eher bevorzuge, zumal diese Welt schon downfallig genug ist. "Sonnenschein" ist auch ein gutes Stichwort für "Wer schön sein will, muss lachen" (Track 10), einem bluesig, relaxtem Rocker, der auf den Balkon stehen- und zurückblicken lässt. Musikalisch steckt hier aus meiner Sicht viel von Gonzo drin. Vor allem das teils sogar doomige Bassspiel von Stephan Weidner unterfüttert das Stück erst mit der nötigen Feinwürze und lässt die Feierabendzufriedenheit erst richtig wirken. Der Blues sucht via "Den Hund den keiner will" (Track 11; Anspieltip V) auch neue Vermählungen und holt überraschenderweise Reggaeursprünge ins Boot, was zuletzt 1.984, bzw. 1.985 so stark bei "Singen und Tanzen"/ "7 Tage ohne Sünde" zu vernehmen war (mit Ska-lastiger Schlagseite), umso größer fällt auch die Überraschung aus. Hier steht (abgesehen von der Instrumentierung) vor allem Kevin Russell im Zentrum. Die Refrainparts wurden dabei mit viel Feinsgespür für Hook(s) garniert. 

Im Finalgang gibt es "Flügel für dich" (Track 12) und damit wieder ein Stück, das bei einem bestimmten Rezensenten (ein Podium biete ich jenem Clickbait-suchendem Herrn hier natürlich nicht, den ich nicht als Kollege bezeichnen kann und will) für Kritik sorgte. Textfragmente wie "Zieh den Kopf aus dem Arsch und die Sonne scheint" und "Wege entstehen dadurch dass man sie geht" veranlassten den ohnehin nicht wohlgesonnen Teilzeitphilosophen dazu diese Art des Mutmachens als "Kalenderspruchansammlungen" abzutun. Wenn man nur die Oberfläche sieht, ohne imstande zu sein sich zu öffnen und tiefer reinzudenken/-fallen zu lassen, sollte man am Besten die Klappe halten, anstatt die Welt ungefragt mit der Meinung zuzuschwallen, ohne konstruktiv zu sein. 

Zumindest kam "Die Erinnerung tanzt in meinem Kopf" (Track 13; Anspieltip VI) auch bei diesem Oberflächen-Diver wenigstens etwas unter selbige. Wer die Bandgeschichte mal auf episch-getragenen Flügeln mitlesend hören möchte, hat hier den perfekten Song dazu. Am Ende steht die Tatsache, dass die Onkelz wohl noch ein paar Jahre (inkl. einiger Alben) drauflegen müssen, weil genau das u. a. auch die Neuankömmlinge in deren Universum einfordern werden. Ob die Onkelz jedoch tun, was man von ihnen verlangt? Tja, das steht tatsächlich auf den noch unbeschriebenen Blättern der Zukunft. Ob die "No Future" Schatten noch weit genug sind? Wir werden es sehen und bestenfalls hören. ;-)

Schafe Schüsse Hammermarke!

10/10 Schafe Schüsse

(Matapaloz/Tonpool 2.020)

https://www.onkelz.de/

https://www.facebook.com/boehseonkelzoffiziell/

Danny B

Schaf Schüsse: 

10
Eigene Bewertung: 10

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