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BÖHSE ONKELZ "30 Jahre Kneipenterroristen" [Neuaufnahme]

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

10-2018

Label: 

Genre(s): 

Der original-originelle Saatspender aller asphalt-authentischen deutschsprachigen Street Rock Alben ist nun schon auch schon 30 - Wahnsinn welche gefühlte Geschwindigkeit die Zeit mittlerweile angenommen hat. Die Empfehlung der Frankfurter Kultsoundschmiede kamen diverse Mütter damals offenbar nicht nach, immerhin setzt sich ein Teil der Onkelz Fans heutzutage entweder aus den einst potentiell "weggesperrten Töchtern und geretteten Söhnen" zusammen, der andere (damals sicher geringere) Teil dürfte 1.988 erst so richtig die Initialzündung in Sachen Onkelz abbekommen haben, im Osten-, wie auch im Westen des damals noch geteilten Landes. Um es kurz und knapp etwas vorwegzunehmen, diese Neuaufnahme des gesamten Albums (inkl. des EP Materials "Könige für einen Tag) ist zwar Futter für die Analytiker bzgl. der musikalischen Entwicklung der Onkelz, sollte aber im Endeffekt nicht zu nerdy abgeklopft werden, denn es geht hier um den Spaß an der Mucke selbst. Wer hier eine lauwarme, lieblose 1:1 Kopie des Originalabums erwartet hat, hat die Onkelz noch nicht kapiert. Die Konstante, die man bei den Onkelz immer hatte, war die der musikalischen Weiterentwicklung, insbesondere was die immer wieder neuen Klangbilder der einzelnen Alben angeht. So betrachtet haben sich seit dem 10.10. 2.018 so einige übermotivierte Instantkommentierer ihr eigenes Armutszeugnis öffentlich ausgestellt. Sicher, über Geschmack lässt sich streiten, aber nicht über die Intention etwas anzubieten hinter dem der volle Einsatz steckt. Vergleichsweise ist das wie mit einer Fussballmannschaft, die auf dem Platz geht und bis in die Haarspitzen motiviert. Verliert sie, wird sich kein Fan sich über ein gutes Spiel beklagen. 

Ich für meinen Teil kann mit Fug und Recht sagen, dass das Originalbum einst ein Feuer entfachte, das bis heute nicht verloschen ist. Gewiss, man ist kein Jugendlicher mehr, der es mit allen gleichzeitig aufnehmen will, um die Welt nachhaltig zu verändern, der Spaß und die Intensität blieben jedoch, trotz dessen, dass die Onkelz nicht mehr jeden Tag rauf- und runterlaufen. Dennoch läuft die hier gegenwärtige Neuaufnahme seit dem Kauf tatsächlich gegenläufig so gut wie täglich in die Ohren. Vielleicht liegt es an den Dingen und Erinnerungen oder auch an den Wegen, die man seit dem Originalrelease so erlebt hat? Letztlich kann man nur sagen, dass die Qualität und der Charme der Songs es sind, die auch 2.018 alles andere als langweilig oder gar lieblos wirken. Schon der Einsteiger "Kneipenterroristen" (Track 1) kommt vertraut daher, wenngleich Sänger Kevin Russell freilich nicht mehr klingt wie 1.988. Wer klingt denn 30 Jahre später stimmlich noch genauso?! Dennoch erkennt man ganz klar die Narben und das Leben auf Kevin's Stimme wieder, während er gesanglich melodiös-runder- und vor allem 100% fit klingt. "Religion" (Track 2) z. B. lebt von der klaren Verständlichkeit des Textes und der Angepisstheit gegenüber der Machtansprüche der Kirche(n) und ihrer blutigen Geschichte. Der satte, klare Sound (sehr schön ausbalanciert!) transportiert das Originalflair auf eine fette, neue Ebene, die Bock macht. In 1.988er Tagen hatte man gerade mal eine Kasettenkopie des Albums, die mit der Vinylversion definitiv nicht vergleichbar war/ist. Es ist dieser düstere Einschlag im Gesamtsound, der auch "Lack + Leder" (Track 3) durchzieht und von einer damals einfachen Welt aus Stephen King Verfilmungen und feuchten Traumfantasien erzählt. Musikalisch kommen hier Stephan Weidner's Bassläufe deutlicher zu Ohren, während Pe und Gonzo mit ordentlich Drive die Flanken in Richtung Tor zu "So sind wir" (Track 4) stil-sichern. 

Der Kultklassiker "Tanz der Teufel" (Track 5; Anspieltip I) bleibt zwar ebenfalls im handwerklichen Originalfahrtwasser, gefällt mir persönlich allerdings fast noch besser, einfach weil man das Gefühl hat eine sauber eingespielte Liveaufnahme zu hören. Auch hier intoniert Kevin mit einer ordentlichen Schippe Inbrunst, die neben Gonzos saustarken Soli den Kern des Songs ausmachen und den tonalen Schauer auf 4:07 Minuten sein Unwesen treiben lassen. Ähnlich intensiv(er) kommt auch das markante Instrumentalstück "28" (Track 6), dessen zugrundeliegende Geschichte mittlerweile jede/-r Onkelz Fan längst kennt. "28" ist jedoch nicht nur irgend so ein "Instrumentalstück", das als Albumfüller dient, sondern markiert auch in der Retrospektive den Punkt an dem die Onkelz musikalisch in neue Höhen wuchsen. Wie viele saustarke Instrumentalstücke folgten danach noch... "3'52", "Lt.Stoned", "Tribute To Stevie", "Baja"..., doch das just am Rande. 

Natürlich gibt es auch Stücke wie "Guten Tag" (Track 7), die dank diverser Liveaufnahmen der Vergangenheit sich etwas "gewohnt" anfühlen, trotz dessen, dass man in jungen Jahren genau dieses Stück ordentlich abgefeiert hat. Vielleicht hat sich das Stück ein wenig dünngehört/abgegriffen? Alles sehr, sehr subjektiv immer wieder, denn "Nie wieder" (Track 8; Anspieltip II) z. B. ist gerade in den letzten Jahren genau in die entgegengesetzte Richtung zu einem unverzichtbarem Mutmacher gewachsen, was den eigenen Lebensumständen zu verdanken ist. Die Entwicklung eines Stückes lässt also an Möglichkeiten und Richtungen viele Wege offen. Letztlich hat da jede/-r andere Blickwinkel bzw. Wahrnehmungen. Bei diesem Stück empfinde ich gerade Kevins Performance als deutlich lebens- und inhaltsvoller als zur Entstehungszeit des Originalstückes. Wenn einer den Dreck von der Gosse geleckt hat, dann ist Kevin R. Russell definitiv einer der genau das von sich sagen kann. Umso dankbarer kann man dem Leben und dem Schicksal sein, dass man die Stimme dieses Urbriten überhaupt noch hören kann. Genau diese erhebt sich nach dem markerschütternden "Nein!" am Schluss von "Nie wieder" auch bei "Freddy Krüger" (Track 9) wieder aus dem Sog der wahnsinnsdurchtränkten, vertonten Traumwelt heraus, die hier musikalisch frischer klingt. Im Vorfeld gab es dieses Stück via der offiziellen Onkelz Soundcloud Site komplett zu hören. Hier machen sich die technischen Aufnahmemöglichkeiten am Stärksten bemerkbar im Vergleich zum Originalalbum. Man könnte Pro und Contra ganz genau abwägen, man käme bei den Pro Punkten darauf, dass Gonzos Gitarrenspiel hier deutlicher hervorsticht und noch mehr Gewicht als Säule des Stückes in petto hat. Bei den Contra Punkten stehen die 30 Jahre technischer Weiterentwicklung(en) vielleicht genauso auf wackeligen Beinen wie der leicht veränderte Klang von Kevins Stimme. 

Bzgl. der Umsetzung von "Ein guter Freund (Bonustrack)" (Track 10) konnte man bereits beim diesjährigen Matapaloz Festival in Leipzig einen ersten Eindruck mitnehmen. Der Introducingpart zu Beginn atmet (ähnlich wie das "Viva Los Tioz" Album) vom Radio- bzw. leichtem Grammophon-Retro-Effekt und versetzt tatsächlich ein wenig zum Orginflair des tatsächlichen Originalliedes. Zum Schluss gibt es eine doppelt-schmissige Saitenrockpackung mit "Könige für einen Tag (Bonustrack)" (Track 11, Anspieltip III; *ich persönlich mochte die Interpretion der ungekürzten "Live in Vienna" Version früher sehr, das wäre eine nette Alternativ-Live-Version) und dem megastark genagelten Brett "Lügenmarsch (Bonustrack)" (Track 12; Anspieltip IV). Hier hört Ihr übrigens noch genauer heraus, dass der musikalische Entwicklungsprozess keinem der Onkelz geschadet hat, ganz im Gegenteil! Hier steckt noch genug Schmackes in den 30 Jahre älteren Frankfurtern. ;-) 

Alles in allem, während ich Repeat drücke und mir noch einmal "Lügenmarsch" gebe, sowie danach das komplette Album wieder und wieder, stelle ich beschließend immer wieder fest, dass es vermutlich ohne den Sound des Originalalbums auch Bands wie Troopers, C.O.R. oder Toxpack nicht gegeben hätte?!

9,0/10 Schafe Schüsse

(Matapaloz/WRRS GmbH/Tonpool 2.018)

http://www.onkelz.de/

https://www.facebook.com/boehseonkelzoffiziell/

Danny B

Schaf Schüsse: 

9
Eigene Bewertung: 9

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