FRIEDEMANN @ JAZ, Rostock, 6.02. 2.016
http://friedemann-ruegen.de/
Nachdem ich im Januar diesen Jahres bereits mein Ticket in ein völlig neues Lebenskapitel gelöst hatte und mein komplettes Leben nach Rostock verfrachtet habe, sollte nun zum ersten Mal ein Tauchgang ins Rostocker Szene-/Nachtleben Teil dieses Neulebenskapitels sein. Glücklicherweise hatte Friedemann mit seiner im Moment noch voll im Lauf befindlichen Akustiktour auch Rostock liebevoll in Sachen Tourtermin bedacht. Ich war sehr gespannt wie die Leute hier so drauf wären, zumal Berlin als Vergleich denkbar ungeeignet ist, da der/ die Berliner/-in immer eine Art Alleinstellung innehaben, weil die Räder dort einfach kreuz, quer und noch öfter völlig anders (oft auch derb neben dem Getriebe) laufen. Ich mag die verschiedenen Mentalitäten im Allgemeinen gern, zumal es immer wieder zu einem erfrischenden Neuprozess des Lernens führt, der einem bewusster klarmacht, dass man mitten in der Bewegung, im Fluss der Dinge ist.
Nachdem mein Tag gut von meiner To Do List bestimmt war, machte ich mich bereits gegen 16:15 Uhr per S-Bahn und Tram auf den Weg in Richtung Stadtzentrum (Nähe "Neuer Markt"/"Steintor"; Rathaus Rostock). Um sicher zu gehen, dass ich mich auch auf den richtigen Weg begeben würde, rückfragte ich noch einige Male bei einem Arbeitskollegen nach, der fest im Sattel der innerstädtischen Wege sitzt. (Danke für die Infos & die Geduld Patrick!) Dass die S-Bahn hier in Rostock eher einer Regionbahn gleicht (zumindest optisch), stört(e) mich schon gar nicht mehr, man gewöhnt sich schnell an neue Dinge. Der Vorteil der Rostocker S-Bahn ist allerdings, dass sie mit WCs ausgestattet ist. Der Nachteil, dass sie auch am WE Nachts nicht durchfahren. Diese kleinen Nebeninfos seien just für all diejenigen mit eingeflochten, die vielleicht mal einen WE-Konzert-Trip nach Rostock machen wollen. ;-)
Wenn man ins JAZ möchte, steigt man am Besten an der Tramstation (hier sagt man offenbar "Straba" [=Strassenbahn]) "Steintor" aus, denn von dort aus, ist das JAZ nur ein paar Schritte entfernt. (ca. 5 Minuten zu Fuss) Einfach in die Lindenstrasse abbiegen (in Richtung Hauptbahnhof auf der linken Strassenseite laufen) und bergabwärts. (Luftrichtung Nikolaikirche) Was allerdings zunächst verwirrend ist, ist die Tatsache, dass man, sofern man sich die JAZ Adresse "Lindenstrasse 3B" als Weghilfe notiert hat, erst einmal vor der Hausnummer 3 steht, wohinter sich offenbar eine Grundschule befindet, aber keine Hausnummer "3B". Aufgeschlossenen Geistes erfragte ich mir den Weg, der mich um die Strassenecke (rechts) herum führte und ich geradewegs auf den sympathisch wirkenden Flachbau zusteuerte und somit mein Ziel erreicht hatte.
Im Innern des JAZ erfragte ich erst einmal ob Matze schon da sei, da ich mit ihm im Vorfeld Treffen und Zeit für ein mit ihm und Friedemann geplantes Interview ausgemacht hatte. Da die drei Musiker und ihre Crewleute noch auf dem Weg von Erfurt nach Rostock waren, ließ ich erst einmal die Atmosphäre auf mich wirken, während die JAZ Crew in aller Ruhe die Bühne konzertfertig zurechtwerkelten. Chillig auf einer der Ledercouchs sitzend kam ab und zu ein ganz smarter Schäferhund von einem der JAZ Crewleute zu mir und schien mit dem Herzen zu sehen. Manchmal können solche Momente so viel Freude in einem hervorrufen... mir wurde es zum ersten Wunder des Tages, der dank Sonnenschein und angenehmer Temperaturen dementsprechend das Gemüt erhellt hatte.
Es dauerte nicht allzu lange bis Matze, Friedemann, Janko, deren sympathischem Mercher und Soundmann (leider habe von diesen beiden die Namen vergessen; Sorry!) eintrafen und mich begrüssten. Ich kam ein wenig in witzige Misverständnisse bzgl. meiner Anwesenheit. Während Friedemann und Matze mich zuzuordnen wussten, dachten Janko und Friedemanns Crewleute zuerst ich sei Teil der JAZ Crew, während die JAZ Crewleute wiederum dachten ich sei Teil von Friedemann's Crew, dabei war ich allenfalls Friedemann und Matze-Bekannter.
Ich half den Jungs spontan beim Instrumenteausladen und bekam netterweise auch ein paar Kaffee dafür. Ich mag einfache Momente des Daseins wie diese auf Augenhöhe.
Als ich zwischendrin mal auf der Toilette war, stieß mir doch noch etwas "Berlin" entgegen, da auf der schwarzen Toilettentür der Liedtext vom "Rauch-Haus-Song" von Ton Steine Scherben, liebevoll und kompaktkomplett mit weißem Edding rangeschrieben war. Von Toilettensprüchen/-schmiereien kann man ja halten was man will, aber wenn Liedtexte auf solch' kreative Weise die Zeiten überdauern, finde ich das klasse! Wenngleich die Toilette sicher nicht unbedingt der Ort ist, an dem man gern freiwillig Zeit verbringt?!
Friedemann war noch etwas schlafbenommenm von der langen Fahrt. Offenbar ging es in Erfurt ein wenig weiter in die Nacht hinein?! Ich nahm die Abläufe gelassen, die bei vielen Bands eh gleich sind. Zwischen Smalltalk mit Friedemanns Mercher und dem zufrieden stillen Kaffeegenuss, versuchte ich die Augenblicke auf mich wirken zu lassen und sah beim Instrumenteaufbau und dem anschliessenden Soundcheck zu.
Einmal mehr bemerkte ich die hohe Konzentration bei Friedemann, der mit voller Seele Musiker ist, das merkt man, nicht nur beim Soundcheck! Einige Akkordeonfrequenzen gaben kleine Feedbacks, was ihn leicht unruhig machte.
Im direkten Anschluss gingen wir gemeinsam Backstage, um dort mit Janko, anstatt Matze das Interview zu führen. Ich möchte gar nicht allzu viel verraten, aber Friedemann und Janko gewährten auf sehr sympathisch-angenehme Weise tiefere Einblicke in ihre Welt(en) und Ansichten. Wie immer kein 08/15 Interview. Ich für meinen Teil glaube mittlerweile felsenfest, dass man mit Friedemann gar kein sinnleeres Interview führen könnte, weil Friedemann selbst der Erste wäre, der es vorziehen würde in solch' einem Fall das Interview entweder abzubrechen oder es gar nicht erst zu geben würde, wenn er nichts zu sagen hätte.
Während wir das Interview führten, füllte sich das JAZ bereits. Ab 19:30 Uhr begann die Filmvorführung von "Actitud Es Lo Que Cuenta - Cuba Cor Libre" von der ich vom ersten Teil aufgrund des Interviews einiges verpasste, was aber nicht weiter schlimm ist, da ich mittlerweile bereits eine Review zu diesem Film (den es übrigens auf DVD gibt!) verfasst habe - will heißen ich habe mir den Film natürlich dementsprechend ausgibig angesehen.
Nachdem das Interview durch war, setzte ich mich in die Filmvorführung. Zwar bekam ich akustisch das Meiste mit, allerdings saß ich ungünstig im Winkels eines Scheinwerfers, der mich den gesamten Film über blendete, so dass ich nur bedingt etwas vom Film sah. Ich versuchte deshalb ein wenig die Atmosphäre im prall gefüllten, kleinen Konzertsaal einzufangen. Die Leute gaben sich den Film mit interessierter Hingabe. Kaum wer sprach so laut, dass es gestört hätte, was ein gutes Omen für das noch bevorstehende Konzert schien.
Für das Konzert nahm ich meinen Platz am Tresen, direkt neben der Bühne ein. Zum Einen um ein paar Fotos schiessen zu können und zum Anderen, um mitzubekommen wie die Leute das Konzert erleben, was ja auch Teil dieses B-Road-Berichtes sein soll. Friedemann saß im Zentrum (Mitte) der Bühne, Janko (zweite Gitarre; Akkordeon; Acoustic Woody Percussion Cube) zu seiner linken und COR Bassist Matze zur rechten von ihm und so begann der Reigen aus einem liebevoll akzentuierten Akustikset seiner beiden Alben und einigen ausgewählten Coverversionen.
Das Publikum selbst setzte sich aus einer bunten Optikmischung zwischen Punk, Oi, Anarcho, Alternative und auch "normalen" Leuten zusammen, die allesamt in friedvoller Harmonie still Friedemann lauschten. Selbst die JAZ Barcrew lauschte (sofern niemand etwas zu trinken bestellte) bedächtig der Friedemann'schen Darbietung.
Wenn ich mich recht entsinne, begann das ca. zweistündige Liveset mit "Am Meer" vom aktuellen COR Album. Friedemann selbst setzte, wie er gleich im Anschluss mitteilte, den Song bewusst direkt als Opener, was nicht nur gut für die Aufmerksamsspanne war, sondern auch den Nebeneffekt hatte, dass das Set vom Verlauf und der Zusammenstellung her insgesamt flüssig und in sich geschlossen wirkte.
Ein bunter Strauss aus Singalongs zwischen Licht, Schatten, Freude, Wut, Trauer und Lebensschicksalen, die die Songinhalte mitbrachten folgte. Ob vom neuen Akustikalbum, das so ziemlich komplett im Set enthalten war oder vom Debüt-Akustikalbum "Nackenbrecher", "Nichts können", "Daneben" u. m. - Friedemann, Matze und Janko schafften es den Spannungsbogen (inklusive der ungeteilten Aufmerksamkeit des Publikums) mit fein abgestimmten Nuancen zu halten und nicht zu überspannen. Das "Bitte" und "Dankeschön" unterstrich einmal mehr, dass banale Äusserlichkeiten so gar nichts über einen Menschen aussagen.
Sofern das Dargebotene und auch das Resultat dessen, was Friedemann erlebt und verarbeitet hat, heisst, dass man einen "Knall" haben muss, wie Friedemann es einem Lied mit feinem Humor und Selbstironie darstellt, dann haben ganz offenbar viele Menschen gern einen Knall, mir selbst inklusive.
Finalfakt ist, dass ich mir Friedemann Live gern wieder gebe!
Danny B
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