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KARLSSON "Rauhfaseridyll"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

02-2019

Label: 

Genre(s): 

Wenn schon Google im Vorfeld beim offiziellen Website Check mit "nicht vertrauenswürdig" warnt, hat das allein schon Seltenheitswert. ;-) Von Astrid Lindgren (der Figur als Bandnamensgeber wegen), D.I.Y. und sympathisch weltoffen ist im Infosheet die Rede. Aber auch von "Hass auf all' die Deppen, die sich nun unter dem Deckmantel der Unzufriedenheit sammeln und die erschreckend unbehelligt ihre Polemik in die Gesellschaft spucken können.". Zusammengenommen mit den Facts, dass man sich dem Indie/Punk/Rock Genres zugehörig fühlt und mit "Rauhfaseridyll" das Debüt veröffentlicht, hat das bereits einen Vorabcharme. 

Denkt man bei Rauhfasertapete an schlichtes Flair und etwas old schoolige Note, geht es mittels des Openers "Südamerika" (Track 1; Anspieltip I) rein titel-geographisch in wärmere Gefilde. Schon erste Textfragmente wie "Jetzt bin ich Mitte Zwanzig, mein Ego hat mich gefangen und mein Leben in der Krise, zwischen roten Zahlen und Selbstmitleid." bringen, abgesehen vom Alter, den Zustand vieler Menschen hierzulande (bzw. golbal) wohl auf den Punkt. Musikalisch gar nicht schlecht, wird "Südamerika" von eingängigem Drive geleitet, der eher wenig Punk Rock im Fundament hat, dafür aber tatsächlich recht frisch rausrockt und damit definitiv auch im Radioairplay die Flügel ausbreiten könnte. Teils reißt man recht gut mit und tönt tendenziell auf Kraftklub Pfaden, nur mit etwas mehr Rock im Saitenbund. Erst beim folgenden "Schwule Könige" (Track 2) kommt etwas mehr Popeinfluss durch, während die Thematik sehr realistische Bezüge zur Borniertheit manch' ländlicher Stumpfheit herstellt. Eher ein Stück, das zum Reflektieren und Denken anregt/einlädt, anstatt auf Massenlikes abzuzielen, was Karlsson umso sympathischer macht. Diese Kölner Jungs riskieren thematisch was. Zwar dem Klischee nach nicht neu für Köln, aber doch zeitgemäß. 

Ein musikalischer Mischling der ersten beiden Stücke kommt mit "Hey Belane" (Track 3) zu Ohren, macht sich recht locker und das bereits auf den ersten Höreindruck. Über mehrere Durchläufe leider aber recht nahe an der Grenze zu oft zu gehörten Arrangements diverser Bands. Gerade heutzutage wird es musikalisch immer schwieriger mit deutschsprachiger Mucke etwas zu reißen, ohne verglichen zu werden. Wenn man Vergleiche wohlwollend sieht, können sie dem potentiell neuen Hörer helfen. "Und es ändert nichts" (Track 4) geht dabei deutlicher in Richtung Pascow, die tendenziell ein immer breiteres Publikum ansprechen und damit auch andere Bands beeinflussen, was auch bei Karlsson der Fall scheint. Was ich als großen Pluspunkt feststelle, sind die starken Texte, die immer wieder eine eigenes Thema mitbringen. 

Worauf der Albumtitelsong "Rauhfaseridyll" (Track 5) basiert, erklärt sich im Selbstlauf. Plattenliebhaber werden hierbei selig grinsen. Musikalisch passiert hier leider etwas zu wenig, um die Hocker ab-, bzw. hochzureißen. Auch "Der alte Boxer" (Track 6; Anspieltip II) probiert sich musikalisch ein wenig aus. Es ist der guten Produktion zuzuschreiben, dass z. B. der Basslauf etwas Gewisses für sich hat. Zumindest hat das Stück etwas von temporärem Radiofutter, wird vermutlich aber auf längere Dauer eher wie Asche im Wind verwehen. Karlsson versuchen spürbar was zu reißen, zumal auch "Zwischen den Zeiten" (Track 7) etwas in sich hat, das man beim Hören erst nachempfinden kann, speziell die Experimentierfreude/das Risiko in der zweiten Songhälfte sind die Zutaten, die Karlsson etwas mehr Gehör verschaffen könnten, weil sie genau damit hervorstechen. Es sei aber auch gesagt, dass diese Jungs die Skills haben Sofortzünder zu erschaffen. Dann zwar eher balladesk bis popig, wenn ein Song gut ist, ist das Genre/Style jedoch völlig egal. "Deine letzten Jahre" (Track 8; Anspieltip III) hat wahrlich Singlequalitäten bei dem wohl jede/-r die Story verstehen kann. Klasse Song!

Schade, dass "Marathon" (Track 9) im Nachgang dagegen etwas abstinkt und so ein wenig vor sich hinplätschert wie ein Fluss, der sich nicht entscheiden kann, ob mit Schub reisen oder im Chillgang dahinwatscheln. Seltsamerweise sind es bislang eher die ruhigeren Stücke, die sich als Stärke von Karlsson herausstellen. Zu diesen Stärken gesellt sich mit "Hundeleben" (Track 10; Anspieltip IV) ein Stück, das sich thematisch der geistigen Sumpfausweitung hierzulande widmet und ein sehr realitätsbezogenes Storyboard malt. Nach hinten raus hätte der Song zwar etwas mehr Attitüde vertragen können, aber das mag Geschmackssache sein/bleiben?! Die letzten beiden Finaldreher "Tage meiner Zuversicht" (Track 11) und "Heimspiel" (Track 12) grenzen sich ein wenig kontrastreicher voneinander ab und spannen den Bogen von "albumvertraut" bis zu "deutlich interessanter", wenngleich "Heimspiel" erneut etwas ruhiger ausgelegt ist. Mit etwas mehr Schub könnten Karlsson (zumindest bei mir) deutlich mehr Gehörgangboden gutmachen. Insgesamt ein Debütalbum, das in Ordnung geht, aber auch zeigt, dass die 2.013 gegründete Band auch noch Raum für mehr hat.

6,12/10 Schafe Schüsse

(Disentertainment Records/Broken Silence 2.019)

https://karlssonmusik.de/

https://www.facebook.com/karlssonmusik/

Danny B

Schaf Schüsse: 

6
Eigene Bewertung: 6

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