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HAUDEGEN "Blut", "Schweiß", "Tränen" [3CD]

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

07-2017

Label: 

Genre(s): 

Haudegen gehören ganz klar zu den Bands, die es geschafft haben ihren eigenen Kosmos zu erschaffen und damit als Duo/Band auf eine seltsame-, (aus der bisherigen Ferne) interessante Weise für sich allein zu stehen. Seit ihrer Gründung 2.010 habe ich sie bislang auch eher an mir vorbeilaufen lassen, während gerade in den ersten Jahren ein regelrechter Hype um die Marzahner veranstaltet wurde. 

Ich erinnere mich vor Jahren mal Nachts eine komplette Livekonzertübertragung im TV gesehen zu haben, während der ich mich ehrlich fragte, warum Haudegen immer wieder mit "Grauzone" assoziiert im sogen. "deutsch Rock" etc. in Schubladen ab-kategorisiert werden? Fußt das in ihrer Herkunft bzgl. Berlin-Marzahn? (*Marzahn galt vor allem in den '90er Jahren, ähnlich wie Hellersdorf und Lichtenberg als von rechten Idioten unterwanderter Stadtteil Berlins) Anno 2.017 wollte ich es einfach wissen und machte mich daran mich auf möglichst unvoreingenommene Weise mit Haudegen auseinandersetzen, denn anders als bei diversen, anderen seltsamen Bands stehen bei Haudegen auch viele Leute im Publikum, die mit Rechtsoffenheit, d.-Tümelei, Proletentum etc. so gar nichts am Hut haben, trotz der beiden volltätowierten Biker-Image-Typen im Zentrum der Musik von Haudegen. Sicher, Haudegen suggerieren so etwas wie Bruderschaft, was bei besten Freunden normal sein sollte, aber spielen sie bewusst mit dem Feuer aus dem Sumpf geistig armer Massen? Ich wollte es wissen. Vielleicht wird es ja auch bestraft, wenn man sich eine EIGENE-, nicht vorgefasste Meinung bildet, was mir als im Herzen Punk Gebliebenem verdammt wichtig ist, fern von Meinungsplenen und auf straff gezogener, überkorrekter Nachplapperer, die am Ende doch nur ihr Ego füttern wollen.

Nun ja, im Zuge der Rundumrecherche bzgl. dieses 3fach Albumreleases kommen Haudegen zunächst (rein optischer Natur) etwas schräg rüber, zumal man das offizielle Amazon-Anzeigenbild der bestellbaren Box mit allen drei Alben in den Farbabstufungen Schwarz, Rot, Gold (Gelb?), Grau" gehalten hat. Selbstironie, Provokation oder Spiel? Ich erinnere mich daran zurück, dass manche Schmierenjournalisten ähnliches einst den Onkelz bei deren "Heilige Lieder" Album vorwarfen, weil sie etwas sahen, was sie sehen wollten. Doch dies' hier sind Haudegen, nicht die Onkelz. Und deren Logo ist dieses Schwert mit sogenannten "Ehrenkranz" - solche Ehrenkränze gab es faktisch auch im Wappen der ehem. DDR, somit mag sich jeder seine EIGENEN Gedanken dazu machen - ich habe die meinen und entschließe mich hinter die Fassade zu blicken, fern plakativer PR. 

Betrachtet man die musikalische Herkunft von Haudegen, ist man verwundert - "Rap". Also könnten Haudegen möglicherweise alte Dudes von Sido sein? (* der ja zwischen Prenzlauer Berg und dem MV aufwuchs) Nun ja, ganz so weit geht die Schere nicht durch die Schnittmenge. Ich lege den ersten Teil dieser Album-Trilogie zum Finaldurchlauf ein - "Blut" [Album 1], im Innern keine Texte zum Mitlesen, sondern dämonisch wirkende s/w Negativbilder von Hagen Stoll und Sven Gillert, das Duo, das Haudegen mit Leben füllt. Die Hände bandagiert wie vor einem Boxkampf. Ich frage mich spontan WEM(?) ihr Kampf gilt(?), während der Türöffner "Blut, Schweiß & Tränen" (Track 1) nach ruhiger epischer Sphäre in ein Riffwerk startet und losrockt. Der Dualgesang der beiden Sänger weiß etwas von echtem Können mitzugeben. Was Haudegen bereits hier vom Rest diverser Bands unterscheidet, ist die Qualität, die man melodiöserweise eher Bands wie den Broilers nachsagt, nur eben, dass die Textbilder hier um einiges epischer ausgestaltet sind. So ein wenig Rammstein Einfluss kann man definitiv auch nicht verleugnen, allerdings wurde das recht clever untergemischt, so dass es sich nicht allzu offensichtlich im Getriebe mitdreht. Für einen Opener eine recht starke Ansage. Bei Liedtiteln wie "Die Stimme aus der Gosse" (Track 2; Anspieltip I) dürfte allerdings auch dem letzten Hörer klar werden, dass Haudegen auch andere Bands aus dem Genre hören und das Rad einfach nur auf ihre Weise drehen. Wenngleich hier eher Metalbombast aus Crossovergroove und Kopfnicken erneut ein wenig an die Broilers erinnert, kann man Haudegen attestieren/zugestehen musikalisch das große Kino zu suchen. Selbst kleine Machine Head Läufe werden von den Saiten abgesprengt und laufen mit, in einem dieser Songtexte wie man sie mittlerweile auch schon gefühlte tausend Mal gehört hat. Ich komme nicht umhin zu sagen, dass dieses Stück echt flüssig mit ordentlich Druck auf der Uhr reinläuft. Noch etwas mehr easy (lockerer) läuft auch "Echt sein, heißt Freunde haben" (Track 3) rund, bei dem man als Bridge noch mal von "Stimme aus der Gosse" lebt. Besonders der kurze Epicpart auf Songmitte gibt hier die besondere Tiefenweite mit.

Wenn man Songtitel wie "Patriot" (Track 4) liest, stimmt einen das immer wieder befremdlich, doch man sollte nicht vorschnell voreilige Schlüsse ziehen, denn was sich hinter diesem Titel verbirgt, holt mit Schmackes gegen Intoleranz, Rassismus und Hass aus, was ein unmisverständliches Statement ist. Sicher kann man den Satz "Nazis von gestern werden heute zu Patrioten, die keine sind." philosophisch ausweiten, das aber sei denen gelassen, die glauben das tun zu müssen. Spätestens bei "Stoff aus dem die Träume sind" feat. Kool Savas (Track 5; Anspieltip II) fällt mir von der Stimmfarbe der unglaubliche-, fast identische Klang auf, der mich schwer an den letzten Weissglut Sänger Tom v. K. und die Lücke dieser damaligen Kickstarter zu füllen vermag, was auch von der musikalischen Auslegung her passt.

Besonders vor-gespannt war ich bzgl. des Stückes "Halb so Frei. Halb so Wild" feat. Manuellsen (Track 6; Anspieltip III), was ja schon vom Titel her ganz klar in Richtung Tirol adressiert ist und passend zu "Patriot" ein verdammt wuchtiges Statement -"...Ihr nutzt alle nur die Gunst der Stunde dagegen zu sein."- ist. Treffender kann man es bei vielen Bands (insbesondere bzgl. der Tiroler) nicht in Worte fassen. Ein klarer Pluspunkt für die Berliner. Musikalisch riff-rocken sich die Berliner weiterhin zwischen Weissglut und Rammstein im Sattgroove durch und haben sogar einen super catchy Hip Hop Part mit Mikrogast Manuellsen am Start, der in einem The Exploited(!) Tribute-Lauf die Kante klarmacht.

Ich muss gestehen, dass Haudegen mich mit jedem Durchlauf mehr kriegen, zumal sie musikalisch eine verdammt starke Band im Rücken haben - "Ich treff' dich, da wo es noch weh tut" (Track 7). Haudegen gehen für mein Verständnis als eine Art wesentlich melodischere- und deutlich softer gelagerte Variante von Grober Knüppel durch. Das mag zunächst aus ganz weiter Ferne etwas weit hergeholt erscheinen, liegt aber stellenweise (zum Greifen) näher als man zunächst denken/glauben mag, was nicht zuletzt u. a. auch "Eure Arroganz" (Track 8) und mit ordentlich Feuer unter'm Arsch untermauert. Genauso auch "Einigkeit, Recht & Freiheit" (Track 9; Anspieltip IV) - spätestens jetzt haben mich Haudegen (für diesen Albumteil) im Sack. Sicher, der Songtitel ist megaplakativ, doch genau das kann ja nur begeistern, wenn man von Punkpfaden bis ins Heute gewandert/getrampt ist. Bislang kann ich sogar den Metalheads nur die Antestempfehlung nur wärmstens mitgeben - Ihr werdet staunen! 

Zum Finalgang gibt es einen semiballadeske Midtemporocker als Mitsingeinladung frei Haus -"Nur, damit du an mich denkst" (Track 10)-, der stellenweise ein wenig an Der W erinnert. Für einen Erstcheck bzgl. der Band Haudegen kann ich dieses Album bereits empfehlen. 

9,0/10 Schafe Schüsse

 

"Schweiß". [Album 2] Auch das bedruckte Innenleben des zweitem Albums, dem Mittelstück zwischen "Blut" und "Tränen", fällt eher spartanisch aus, lediglich ein s/w gehaltenes Foto von den beiden Hauptakteuren (mittlerweile grau-melierte Vollbartträger) im Bikerlook, steht stellvertretend für das Album "Schweiß". Etwas wenig - es hätte mehr sein dürfen. Musikalisch geht es mit "Heute für immer" (Track 1) ruhiger los und erweist sich dabei als viel interpretierbar, was eher den seichten Pop-/Rockbereich bedient. Ähnlich ruhig geht es auch bei/mit "Atlantis in den Wolken" (Track 2; Anspieltip I) zu, das zu Beginn von der Gitarrenbegleitung stark an Red Hot Chili Peppers erinnert und direkt für den Weg unter die Haut sorgt. Stellenweise fragt man sich, ob dieses Lied nicht vielleicht auch unter den Oberbegriff "Tränen" gepasst hätte(?), was ein Gefühl für die schwierige Auswahl mitgibt. "Atlantis in den Wolken" weckt Sehnsüchte in den Am-Fenster-Sitz-Momenten des Lebens und trifft bei vielen Hörer/-innen sicher zielgenau?! Spätestens bei "Das vergesse ich dir nie" (Track 3) wird klar, dass es nun etwas radiotauglicher zugeht. Die verbale Kost ist interpretierbarer, nicht so klar umrissen wie auf "Blut" größtenteils. Die Texte mögen ihre reale Herkunft haben, sind aber so umschrieben, dass sie auf viele Situationen/Schicksale passen. Etwas schade, zumal genau das bereits tausende Bands da draussen genau so auch tun und damit oft eine Art Einheitsbrei entsteht. Sicher, man kann Haudegen den Wiedererkennungswert ganz sicher nicht absprechen -"Wilde Orchideen" (Track 4; Anspieltip II)-, zumal sie auch große cineastische Momente vollführen, die eigene Verluste in Demut umzuwandeln weiß, doch wie lange glänzen diese Art von Diamanten? Es geht thematisch tiefer in die Gedankenwelt hinein, umrahmt von songdienlicher Musik - "Happy End" (Track 5). Zwischen Wehmut und Menschlichkeit, aber "Mit Gefühl" (Track 6). Auf diesem Album scheint es thematisch vor allem um zwischenmenschliche Beziehungen zu gehen. Die Inhalte hat man in all' den Jahren leider schon ziemlich oft gehört, was es für Haudegen insgesamt schwieriger macht den/die Hörer/-innen(en) zu überraschen. Somit ist "Schweiß" bislang eher ein Album, das die Atmosphäre (wie Hintergrundmusik in einer netten Bar) würzt. Und dankbare Demut ist das Wasser auf den Rädern dieses Albums, intern, wie auch extern - "Du hast einen Freund in mir" (Track 7). 

Was im Pop/Rock Gemisch bleibt, bekommt erst mit "Das gefällt mir" (Track 8) etwas mehr Mitgang. Ich für meinen Teil muss an BAP oder diverse deutschsprachige Pop/Rock Bands der späten '80er denken. Hätte es Haudegen damals gegeben, hätte Dieter Thomas Heck diese Berliner Jungs vermutlich genauso souverän angesagt - von der Musik her hätte es sogar in die damaligen Zeiten passen können. Haudegen gehen auf "Schweiß" in der Bildersprachenwelt spazieren und malen Bilder ins Ohr - "Dein Augenblick" (Track 9) und scheinen wahrlich den "Himmel im Herz" (Track 10; Anspieltip III) zu haben, der zum Abschluss dieses Albumteils wieder mehr Gänsehaut, Background und Akustik mitbringt. Am Ende erweist sich dieser Albumteil eher Kost für die breitere Masse.  

7,0/10 Schafe Schüsse


"Tränen" [Album 3], das dritte Schwert (was sich auch auf die Artworks bezieht) im Bunde dieser Albumtrilogie, zeigt die beiden Haudegen im Innenteil (vermutlich) bei der Arbeit im Studio. Mit "Auch wenn alle so tun" (Track 1) geht es auf akustisch instrumentierten Pfaden auf den Weg ins Finale dieser Release-Trilogie. In etwa so habe ich Haudegen musikalisch von der eingangs erwähnten TV Übertragung einst in Erinnerung. Beeindruckend, was die Umsetzung angeht, doch reicht das allein anno 2.017, um den nächsten Schritt zu machen? (zumal es an musikalischer Konkurrenz ja nicht mangelt) Heutzutage braucht es spürbar echte, ungefakte Emotionen, fern vom Streben nach dem unbedingten Erfolg. Verletztlichkeit, sich zeigen wie man ist... -real eben- "Lass mich traurig sein" (Track 2). Zumindest gelingt der Tiefgang dank der musikalischen Auschmückung mit Piano- und dezenten Geigenklängen ziemlich gut. Die Headline "Tränen" ist hier Programm. Spätestens "Nach mir deine Träume" (Track 3; Anspieltip I) kriegt einen dran. Wer hat nicht irgendwo jemanden, der/die einen in den Sinn kommt, wenn man mal wieder leise zurückblickt?! Im letzten Viertel breiten Haudegen die Flügel aus und nehmen mit. Selbst noch so toughe Herzen dürften hier dem Dammbruch näher kommen. 

Musikalische Größe erkennt man oftmals gerade im Kontext von dezenter Instrumentierung am Besten. Es braucht dabei gar nicht einmal so viel. Haudegen unterstreichen ihren musikalischen Stand mit "Ohne Worte" (Track 4) auf abermals beeindruckende Weise - "...ich schweige es aus, damit mich niemand hört.". Ich habe selten ein Lied gehört, dass das Gefühl von einsamer Stille so nah und erlebbar transportiert hat. Fast eine Frage der Zeit, dass man bei einem Akustikalbum nicht um Einblicke in das eigene Seelenleben/die frühen Wege herumkommt, zumindest, wenn man sich denn wahrhaftig öffnet. Sicher "Mein Vater und ich" (Track 5) klingt beim Erstdurchlauf ein wenig nach "Schmonzette", auch dank der etwas dick aufgetragenen Atmosphäre, die etwas zu sehr nach Massentauglichkeit/Chart-Single-Durchstarter klingt - etwas weniger Kurs auf "nahe am Wasser" (rein instrumental!) hätte hier mehr gebracht. Im Direktvergleich mit dem folgenden "Lachen verlernt" (Track 6; Anspieltip II) zeigen Haudegen, dass es auch dezenter geht und mit etwas Abwechslung sogar auch mehr Realität greifbar wird. 

Auf jeden Fall muss man Haudegen ehrlich zugestehen, dass sie bereit sind ordentlich was zu wagen. Nicht nur bzgl. dieser 3er Veröffentlichung, sondern vor allem dieses fast reinen Akustikalbums im Kontext dieser Trilogie wegen. "Goldene Tränen" (Track 7) fließen im Bach der Zeit dahin, führen zu "Ein Geschenk" (Track 8; Anspieltip III), dahin wo der Zeitumblick auch an anderen Liedermachern/Artists dieser Zeiten Maß nimmt und auf das Feedback der Hörer/-innen wartet. Teilweise werden sogar Einflüsse aus der Klassik modern eingeflochten und geben das Zeug zum Musiktheater mit hohem Epos im Gedankenwinkel her. Vor allem die Bombastausbrüche sind hierbei (vor allem beim Erstdurchlauf) Überraschung/"Geschenk" pur. Wenn man (als Musiker) kann, sollte man das auch einfach mal machen. 

"Einmal für mich" (Track 9) hingegen braucht etwas bis man die Blüte im Ohr hat. Was zunächst etwas einfach gestrickt wirkt, versteckt tatsächlich Zweitblick-Hör-Tiefe, die sogar leicht philosophische Züge trägt. Am Ende legen Haudegen "Zerbrochene Rosen" (Track 10) selbstreflektierend auf's Klavier und lassen die letzte Träne ins Knopfloch fallen, in dem eben noch eine Blume der Trauer steckte.

7,5/10 Schafe Schüsse

Drei ganz unterschiedliche Album, egal ob man sie einzeln oder im Kontext sieht und hört. Es wird einiges an Zeit brauchen bis der/die Hörer/-in die insgesamt 30 Stücke gänzlich verinnerlicht und verstanden hat. Definitiver Fakt ist, dass Haudegen hiermit großes Kino auf vielen Ebenen abgeliefert haben. Spätestens nach diesem Album sollte man Haudegen den gebührenden Respekt entgegenbringen, zumal sie deutlich gemacht haben, dass sie Musiker aus Leidenschaft sind.

7,75/10 Schafe Schüsse (*Gesamtbewertung bzgl. aller Alben zusammen)

(Blut Schweiß & Tränen/ Tonpool 2.017)

https://www.haudegen.com/

https://www.facebook.com/Haudegen/

Danny B

Schaf Schüsse: 

7
Eigene Bewertung: 7

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