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BÖHSE ONKELZ "35 Jahre - Symphonien und Sonaten" [2CD]

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

12-2015

Label: 

Genre(s): 

Gut 11 Jahre gingen seit dem letzten Studioalbum der wohl immer noch gehasstesten/geliebtesten Band Deutschlands den Bach runter. Wenngleich die Band auch ab 2.005 im Seitenaus der aktiven Musikszene war, so blieb dennoch das Phänomen, das kein noch so hochstudierter Musikprofessor, geschweige denn irgendein Gazettenschreiber je (zu-)treffend (er-)klären konnte oder auch aktuell kann. Ja nicht einmal die absoluten Die Hard Fans der vier Mainhattaner können nachvollziehbar erklären was genau die tiefe Bindung zu den Böhsen Onkelz hergestellt hat. (eine Bindung, die zuweilen bis unter die Haut geht; Stichwort: Tattoos) Hinlänglich bekannt bzw. als beispielhaft-vertretende Komponenten stehen die Musikalität, die irgendwo in der Schnittmenge zwischen einfach und anspruchsvoll liegt (Punk, Rock, etwas Metal, Blues, experiMENTAL), die Textinhalte, die das Leben der Bandmitglieder so einfing, dass der Hörer sich nicht nur darin wiederfinden konnte/kann, sondern auch den menschlichen Reifungsprozeß miterleben konnte/kann. Das sind zwei der tragenden Säulen im Hause Böhse Onkelz. Die dritte Säule könnte man als eine Art unsichtbare (was sogar wörtlich genommen stimmt), tragende Säule bezeichnen - das immer wieder neue Klangbild, das den Arrangements den nötigen Schliff als zeitliches Dokument immer wieder mitgab. Genau deshalb lassen sich Alben wie "Es ist soweit",  "Heilige Lieder", "E.I.N.S.", Viva Los Tioz", "Dopamin" etc. nur schwer aneinander messen/ miteinander vergleichen. 

Aus diesen Gedanken heraus war die Reunion mit vielen Fragen behaftet, weil zunächst keiner (wahrscheinlich nicht einmal die Bandmitglieder selbst?) wusste, ob ein neues Onkelz Album mal eben so locker aus dem Ärmel geschüttelt werden könnte, wie es in den '90ern und der ersten 2.000er Halbdekade z. B. der Fall war. (Livealben mal ausgeklammert) 

Zugegeben ich war extrem skeptisch bezüglich eines neuen Onkelz Albums. Noch skeptischer wurde ich als sich herauskristallisierte, dass das erste Album seit der Reunion ein reines, modernes Klassik Album sein würde. Da schossen Gedanken aus dem geistigen Boden wie Pilze, u. a. z. B.: "Ein Onkelz Album so ganz ohne Kevins Gesang???", "Ein Klassik-Rock-Album?". Letztere Frage schien mir im Vorfeld des Albums am Nahenliegsten zu sein. Ich hätte mir die Onkelz durchaus in ähnlicher Weise wie Metallica (die ja einst Hofkapelle der Onkelz werden sollten; Insider!) in ihrer "S&M" Phase vorstellen können, zumal Sänger Kevin Russell stimmlich noch immer obenauf ist und auch gesünder denn je lebt. Fakt ist letztlich, dass die Onkelz es immer wieder schaffen nicht zu ver-wundern, sondern auch zu wunder-n.

Vor kurzem kaufte ich mir im Zuge meines Umzuges dann das hier in der Bersprechung befindliche, brandneue Album "35 Jahre - Symphonien und Sonaten". Immer wieder lief es rauf und runter. Beim Packen der Kartons, beim Auspacken einiger Kartons, auf neuen Wegen in der neuen Wahlheimat... einfach immer, wenn mir danach war von eher klassischen Klängen umspült zu werden.

Anfangs fremdelten die Klänge noch stark, zumal man ja immer den Name Böhse Onkelz im Hinterkopf hat(te) und irgendwie auf Kevin's Stimme, Pe's akzentuiertes Drumming oder auch Gonzos tragendes Gitarrenspiel erwartet, statt dessen aber Klassik pur, wenn auch durch das Arrangement der Onkelz Lieder in modernen Gefilden. 

Eingespielt wurden die 20 Lieder aus dem Backkatalog diverser Onkelz Alben vom Bratislava Symphony Orchestra. Unter der Leitung von David Hernando Rico entstand so ein Werk, das einen völlig neuen musikalischen Zugang zum Lebenswerk der Böhsen Onkelz geschafffen hat. Der Nebeneffekt, dass sowohl ein neuer Sound (Klangbild), wie auch eine musikalische (Er-)Neuerung mitschwingt, lässt bereits diese tragende Säulen (wie oben beschrieben) lichterloh im Zentrum stehen. 

Wer nun aber denkt, dass ausschliesslich Kevin Russel (voc.) nicht auf dem Album zu hören ist, der/ die irrt, denn auf "35 Jahre Böhse Onkelz - Symphonien und Sonaten" ist kein Onkel aktiv zu hören. Die Idee ein Klassik(er)Album zu machen, liegt in gewisser Weise auch nahe, zumal Kevin Russell einst beim "Live in Vienna" Videointerview offerierte, dass er (zumindest damals) nur Klassik und Onkelz hört(e). Klar werden sich dessen Hörgewohnheiten auch etwas saniert/erweitert haben, aber möglicherweise war diese Erinnerung ja Stein des Anstoßes? Doch lassen wir die Spekulationen lieber und widmen uns diesem Doppelalbum etwas intensiver.

[CD1] Mit "Dunkler Ort" (Track 1) öffnen sich die Pforten zu neuen, onklifizierten Sphären, die anfangs noch gewöhnungsbedürftig scheinen, aber mit zunehmenden Durchläufen immer flüssiger reinlaufen und man dann auch das Doppelalbum selbst als Gesamtwerk genießen kann. Deshalb werde ich ausnahmsweise auch keine Titel in Sachen Anspieltip extra herausstellen, da dieses Album ein episches Gesamtwerk ist. Die Zusammenstellung der Instrumentierung und Songauswahl kommt positiv stimmig rüber, genauso wie das hochwertige mit Prägungsdruck gefertige Coverartwork - dezent und zu keinem Zeitpunkt aufdringlich. 

Die Songs fügen sich ungeahnt gut ins klassische Metier. Da kann es schon mal sentimal/nostalgisch -"Der Platz neben mir" (Track 2)-, aufbrausend -"Macht für den der sie nicht will" (Track 3)-, verträumt -"Ich bin in dir" (Track 4) oder auch düster/schaurig -"Freddy Krueger" (Track 5)- zugehen. Ich persönlich glaube ja, dass es genau darum geht. Man geht auf eine Reise, die auf neue Wahrnehmungsebenen dieser (vertrauten) Lieder führt. 

Manches Mal fühlt sich die Musik sogar cineastisch an und hätte so manchem Film etwas mehr Dramatik -"Kirche" (Track 6)- verliehen. Aber auch die Gedankenbrücke zur Bandgeschichte bleibt nicht unberührt. Man hat vergilbte-, ergrauteBilder von Kevin Russell vor den inneren Augen als dieser seine Tage "verschenkte" -"Wieder mal 'nen Tag verschenkt" (Track 7). Aber um Euch Lesern bzw. Hörern nicht die ganze Emotionspalette dieser CD 1 vorzugeben, überlasse ich Euch die restlichen Lieder dieser ersten CD ("Regen", "Nichts ist für die Ewigkeit", "Nur die Besten sterben jung"), schliesslich sollt Ihr das bestenfalls selbst erleben!

Die [CD2] führt mit Abstand das fröhlichste Stück voran, was sich bereits beim ersten Durchlauf herausstellte - "Wir ham' noch lange nicht genug" (Track 11), man konnte es aber angesichts der Tracklist erahnen. Dafür breiten die anderen Stücke (jedes auf seine eigene Weise) ihre Flügel aus und lassen verschiedene Windstärken des Erlebens mitschwingen/aufkommen. Besonders die (Halb-)Balladen ("Bin ich nur glücklich wenn es schmerzt", "Koma", "Erinnerungen", "Der Himmel kann warten") und die von Hause aus rein instrumentellen Stücke ("28", "Panamericana", "Baja") sind es meinen subjektiven Ohren nach, die von unbeschreiblich facettenreicher, zartsaitiger Schönheit geküsst, zu den Highlights dieses Doppelalbumteils werden. 

Abschliessend kann man die Böhsen Onkelz nicht nur zu 35 Jahren Musikgeschichte-, sondern auch zu einem stilvoll-reifen Album beglückwünschen, was aber keineswegs heißen soll, dass ich hier an altes Eisen denke, nein im Gegenteil, ich bin regelrecht versucht nun ein weiteres Album zu erwarten, dass dann (wie gewohnt) einmal mehr eine neue, weitere Ebene erspielt und mitbringt. 

Fakt ist, dass "35 Jahre Böhse Onkelz - Symphonien und Sonaten" zwar definitiv ungewohntes Terrain bezüglich der Böhsen Onkeltz ist, mich aber in der Übergangs-Eingewöhnungsphase in der neuen Wahlheimat gekriegt hat. Ich kann es kaum erwarten dieses Doppelalbum an der See sitzend zu hören!

 

Schafe Schüsse Hammermarke!

10/ 10 Schafe Schüsse

(Rule 23/Tonpool 2.015)

http://www.onkelz.de/ 

https://www.facebook.com/boehseonkelzoffiziell

Danny B

Schaf Schüsse: 

10
Eigene Bewertung: 10

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