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FRIEDEMANN "Wer hören will muss schweigen"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

01-2016

Label: 

Genre(s): 

In der Musiklandschaft hierzulande scheinen die wirklichen Originale, fern vom Rockstarego, moralischen Selbstausverkauf etc. immer weniger zu werden?! Originale sind zuweilen eigensinnig, unangepasst und werden daher oft gern als unbequem von Anderen beschrieben und nicht selten bewusst kleingehalten. Eines dieser Originale ist Friedemann, den viele von seinen Wegmeilen mit Troopers und COR kennen. 

Es ist gar nicht so lange her als Friedemann mit seiner ersten Solo-Aktusikscheibe "Uhr vs. Zeit" um die Ecke kam und sich (ebenso wie mit COR) überraschend eigenständig präsentierte. Ich staun(t)e nicht selten wie viele Konzerte der Rügener spielt, ohne Ermüdungserscheinungen zu haben?! Höchsten Respekt für sein Durchhaltevermögen, gerade in der heutigen Zeit der Versuchung der extremen Superlative nachzujagen und damit dem moralischen Selbstausverkauf anheim zu fallen. Aber wer Friedemann's Werke/ Texte kennt, weiß längst, dass er dem Geruch des lockenden Geldes nicht zu folgen gedenkt, sondern auf faire Qualität, statt Quantität setzt. 

Mit "Uhr vs. Zeit" hat er 2.014 den ersten Punkt hinter dieses neumusikalische Kapitel auf seinem Weg gesetzt, nun legt er mit "Wer hören will muss schweigen" nach und setzt vom Albumtitel her bewusst auf Gegentrend in Sachen Zeitenlauf. Mal innehalten, mal die Stoptaste drücken, mal durchatmen und dann mal bewusst in sich hinein hören was man wirklich möchte. Schon der Albumtitel befreit den Pool an Möglichkeiten indem er diesen vom Eis befreit, wenngleich der Tod von Lemmy (R. I.P.) unplanbar mit reinspielt, einfach, weil die (Musik-)Welt nicht mehr dieselbe sein wird. Dennoch dreht sich der Planet im natürlichen Rotationsprinzip weiter. Ich erinnere mich noch daran, dass Friedemann selbst es war, der sich noch eine Extrarunde für dieses Album gab, weil er nicht irgendetwas präsentieren wollte, sondern etwas, das er für dementsprechend gelungen hält. So etwas hat Charakter. Es gibt Bands/ Künstler, die würden alles veröffentlichen, nur um des Umsatzes Willen. 

Mit "Gejammer" (Track 1) eröffnet Friedemann seine Gedankenläufe und überrascht musikalisch mit leichtflüssigem Bossa Nova Einfluss und brasilianisch anmutendem Flair, das sicher von der bekannten Kubareise von COR beeinflusst wurde?! Für einen Opener wirklich klasse und mit mehr Zug zum Optimismus als man es erwartet hatte (zumindest wenn man ehrlich zu sich selbst  ist). Mit "Djamila" (Track 2) wird es dann aber doch (gewohnt) nachdenklich und musikalisch bodenständig ruhig. "Djamila" befasst sich thematisch damit, dass viele Menschen zu wenig zum Leben haben und naturgemäß mehr brauchen, dass viele andere, die im Luxus leben, abgeben könn(t)en, es aber aus Bequemlichkeit/ Egoismus/ Abgrenzung nicht tun. Man kann aber auf sehr einfache Weise viel bewegen! 

Das Titelstück "Wer hören will muss schweigen" (Track 3; Anspieltip I) kommt dann etwas breiter aufgestellt mit elektronischem Gitarrensupport wie eine aufbrandende Welle in den Raum und bringt diesen unnachahmlichen Friedemann Charme mit. Erneut schafft es Friedemann mit seinen Mitmusikern eine mitnehmende Atmosphäre zu erschaffen, die einen davonträgt. Es gab in den letzten Jahren allgemein nicht allzu oft Albumtitelstücke, die auch das Zeug hatten hervorzustechen, aber vereinzelt, wie hier in Friedemanns Fall, gibt es einem beim hören umso mehr. 

Was ich an Friedemann irgendwie wirklich lieben und schätzen gelernt habe, ist seine Art offen nach sich selbst zu suchen, ohne wie eine Ente aus Blei dabei unterzugehen, wenn er sich gedanklich treiben lässt - "Heimatlos" (Track 4), was hier musikalisch so etwas wie Seemannsromantik aufkommen lässt. Ein etwas kleiner Schnitt entsteht dabei wahrscheinlich unweigerlich? Zumal mit "Unschuld" (Track 5) ein fast schon heiteres Stück folgt, das aber bei tieferem Blick mit den Ohren eine bitterernste Thematik zu Gehör bringt. Gedanklich kommt die Brücke zu Nirvana's "Rape Me" auf. 

Bei "Möglichkeiten" (Track 6; Anspieltip II) kommt ein junge Rostocker Soulsängerin als Gast ans Mikro. Ich könnte schwören, dass es sich dabei um Nicole C. Cash handelt?! Eine schöne Idee die textlichen Passagen aufzuteilen und sie in ein Duett münden zu lassen. Neuland auf den Solopfaden von Friedemann, was nicht zuletzt für die Frische dieses neuen Albums spricht, die auch vom Sound her eine Nuance besser klingt. Auch Mehrstimmigkeiten bekommen ihren Raum auf diesem Album - "Liebe" (Track 7), was dem Album hörbar gut tut. Es sind aber auch die einfachen Songstrukturen, die mit intelligenten Texten gewürzt wurden und direkten Weges zum Mitwippen bewegen - "Knall" (Track 8; Anspieltip III). 

Vom Mitwippen zum Träumen, "Haben und Brauchen" (Track 9; Anspieltip IV). Mit besänftigender Stimme entführt Friedemann erneut in die Welt solider Wege, die einem natürlichem Reichtum zugrunde liegen. Es gibt Dinge, die kann man nicht materiell beziffern - das ist nicht nur thematisches Zentrum dieses Stückes, sondern gilt gleichermaßen für diesen Song(text) selbst, den man zu gern selbst geschrieben hätte. Die andere Seite der Erinnerungen "Wo bleiben wir" (Track 10; Anspieltip V), die mit etwas heitereren Rückblicken von Gunnar (Dritte Wahl) als Gast mitgetragen wird, avonciert zum Ohrwurm mit offener Option auch im Normalradio stattzufinden. Vermutlich wird Friedemann nach diesem Album um einiges bekannter sein, bleibt zu hoffen, dass die Menschen seine Gedanken weiterhin ernsthaft aufnehmen und vielleicht sogar ein Stück weit (nach-)leben. 

"Paola" (Track 11) ist auf diesem Album für mich persönlich der bislang kantigste Song, denn abgesehen vom Text, fällt es schwer ihn im Albumkontext intensiv zu hören. Woran das liegt, vermag ich nicht so recht zu sagen. Vielleicht liegt es daran, dass man Friedemanns Lieder nicht einfach nebenher hören kann, ohne intensiv auf den Text zu achten?! (was bei COR genauso ist)

Doch Ecken und Kanten gehören zum Leben und machen Menschen erst sympathisch/ menschlich, was auch eine Art Grundphilsophie von "Teilen" (Track 12) sein könnte. Zumindest macht das für mich im Kon-Text Sinn. In Richtung Finale gibt es sogar waschechten Blues mit "Wunder" (Track 13; Anspieltip VI) serviert, was rein musikalisch ein wenig überraschen mag (mich hat es zu Beginn auch überrascht!), aber letztlich aber just zeigt, dass Friedemann sich keine Stilgrenzen setzt, was das Album selbst ungemein mit Abwechslungsreichtum bereichert. Damit ist der Name des letztes Songs "Glück" (Track 14) Programm. "Am Ende will Glück sein...". Besser hätte ich es nicht sagen können.

Friedemann hat mit seinem zweiten Soloalbum musikalisch Flur und Felder überquert und ist an der grossen, weiten See, die sein zu Hause umgibt, angekommen. Somit legt er mit diesem Album die Messlatte schon um mehrere Schritte höher, so dass es zwar interessant bleibt wie es solo-musikalisch weitergeht, aber eben auch den Selbstanspruch noch weiter herausfordern dürfte.

V.Ö.: 29.01. 2.016

 

9.0/ 10 Schafe Schüsse

(Exile On Mainstream Records/ RügenCore 2.016)

http://friedemann-ruegen.de/

https://www.facebook.com/Friedemann.ruegen/?fref=ts

Danny B

Schaf Schüsse: 

9
Eigene Bewertung: 9

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