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KEVIN R. RUSSELL (VERITAS MAXIMUS) Part I

KEVIN R. RUSSELL
KEVIN R. RUSSELL

"Es war ein langer, langer Weg..."

Dass dieses schonungslos offene Interview ganz bewusst als erster Part des kompletten Interviews, das aus zwei Teilen besteht, online geht, hat den einfachen Grund, dass man zuerst Vergangenes reflektieren, aufarbeiten bzw. generell von beiden Seiten der Medaille verstehen lernen muss, um den Weg in die offene Zukunft antreten zu können. So etwas liegt in der Natur des ehrlichen Komplettverstehenwollens.

Deshalb spare ich mir dieses Mal auch lange Vorreden und lasse Kevin direkten Weges selbst zu Wort kommen. Wer wirklich Interesse hat die Dinge gänzlich verstehen zu lernen, dem/ der öffnet sich mit diesem Gespräch eine Tür, hinter der sich die (Ein-)Sichten eines Menschen aus Fleisch und Blut befinden - ungeschönt, ehrlich und offen. 

 

KEVIN R. RUSSELL im Motorwerk, Berlin 2.013 (VERITAS MAXIMUS)

Hallo Kevin. Willkommen auf schafe-schuesse.de! 

Bevor wir gleich etwas weiter in der Zeit zurückgehen und uns deiner Entwicklung und Neuwerdung widmen, schildere doch bitte mal dein erstes Fazit bezüglich deines gestrigen Berlin-Comebacks nach gut 8-9 Jahren. Wie hast du die gestrige Show (31.08. 2.013) erlebt?

Es war echt super! Wir konnten nach einigem Hin- und Her bezüglich der Location das Motorwerk ausverkaufen. Berlin ist ja immer schon ein besonderer Ort für Konzerte gewesen, schon damals mit den Onkelz. 

Lass´ uns nun mal etwas tiefer und weiter in deine Historie zurückgehen. Der Lausitzring lag hinter dir, im Metal Hammer war damals ein Interview mit Gonzo zu lesen, bei dem er offen davon sprach eventuell ein paar Songs mit dir aufzunehmen, wozu es letztlich nicht kam. Um den Bezug zum Hier und Jetzt nicht gänzlich zu verlieren, könntest du dir generell vorstellen mit einem deiner ehemaligen Kollegen ein gemeinsames Songprojekt oder ähnliches zu realisieren?

Ich halte generell nichts für unmöglich, man soll ja niemals nie sagen. Aber im Moment konzentriere ich mich aktuell ganz auf unser erstes Veritas Maximus Album, das derzeit in der Mache ist.

Was aber deine Frage angeht, das wäre damals, aufgrund meines Zustandes, wahrscheinlich gar nicht umsetzbar gewesen, nach dem Lausitzring bin ich erst einmal in ein tiefes Loch gefallen, woran vielleicht auch das Onkelz Ding mit schuld war?! Aber das lag auch mit an mir, dass ich so tief fiel. Ich habe mir dann ja alles gegeben und immer wieder noch ein Schippe draufgesetzt. Weißt du, ich hatte damals echte Versagensängste, wenn die Bühne rief, das war viele, viele Jahre so. Ich glaube tief und fest daran, dass, so schlimm meine Wege auch wirklich waren, ohne jetzt irgend etwas beschönigen oder relativieren zu wollen(!), alles wie es gekommen ist seine irdisch nicht nachvollziehbaren Gründe hat. Ich bin dem da oben echt etwas schuldig und möchte jetzt Gutes zurückgeben.

Ich erinnere mich daran, dass du irgendwann ca. 7 Monate nach dem Lausitzring Abschlussevent von Stephan (Weidner) im Hotel (im Taunus) gefunden wurdest und im Koma lagst...

Ja, mein Hirn war von der Mengingitis Maxillaris infiziert und zerfressen. Sie mussten mir vier golfballgroße Stücke des Gehirns absaugen. Dabei habe ich auch eine Nahtoderfahrung gemacht, als ich für 4:53 Minuten klinisch tot war. Dabei sah ich mich, ähnlich wie viele es beschreiben, die ähnliche Nahtoderfahrungen gemacht haben, von oben. Ich sah meinen blutüberströmten Körper von oben. Da war auch, wie man es von anderen Erfahrungsberichten kennt, wirklich so ein Tunnel, eine Art Rohr mit einem Licht am Ende. Ich stand am Ende dieses Rohres wie an einem Abgrund, unter mir waren Wolken, wie eine Art Wolkenwiese aus purem Glück, purer Liebe, die einen magisch anzog. Im Hintergrund hörte ich konstant eine Art Tropfen oder Rauschen, Rieseln. Ich sah eine Art Uhr mit einer Anzeige meiner Lebenszeit, die ich noch hätte, die immer wieder mal drastisch runtersprang, dann plötzlich wieder um ein paar Minuten zulegte. Ich wollte nur noch in diese Wolkenwiese springen, die mich regelrecht mit dem Gefühl völligen Glückes und vollkommen-erfüllender Freiheit anzog. Mein Glück war, dass ich neben mir eine kindsgrosse Silhouette sah, die aber kein Gesicht hatte, sondern einfach nur Silhouette war. Tief drinnen wurde mir schlagartig bewusst, dass das mein Sohn (neben mir) war. Die Liebe zu ihm ist stärker als alles Irische und Überirdische. Katapultartig schnellte ich plötzlich wieder in meinem Körper zurück und wachte drei Wochen später auf.

Die waren im Krankenhaus schon so weit, dass sie einige Male die lebenserhaltenden Geräte abschalten wollten und hatten bereits meine Familie etc. benachrichtigt, die zum Abschied noch einmal kommen durfte. Und genau an dem Tag, als sie endgültig abschalten wollten bin ich wieder aufgewacht. 

Danach saß ich gut 9 Monate im Rollstuhl, weil ich u. a. halbseitig gelähmt war. Ich kämpfte mich aber wieder hoch und konnte irgendwann auch wieder normal laufen. 

Natürlich ist es total bescheuert von mir gewesen mir ein Jahr später erneut die selbe Scheiße zu geben und dabei noch einmal eine Schippe draufzulegen!

Auf die Sylvesternacht 2.010 will ich gar nicht so sehr eingehen, da du das zu gebener Zeit selbst tun wirst. Ich möchte just noch einmal eine Tatsache betonen, die die Mainstreammedien bei ihrer Berichterstattung meines Empfindens nach bewusst unter den sprichwörtlichen Teppich des Verschweigens (was ja einem Vorenthalten von wichtigen Fakten gleichkommt!) gekehrt haben, nämlich dass du eben nicht sofort vom Unfallort geflüchtet bist, sondern sichergegangen bist, dass die Unfallopfer aus dem brennenden Wagen heraus waren und sich um sie gekümmert wurde. 

Es tut mir wirklich wahnsinnig leid was damals, speziell bezüglich des Unfalls passiert ist, vor allem für alle Beteiligten, aber ich kann daran nichts mehr ändern, so gern ich es auch täte! Ich selbst weiß das und Gott weiß das, alle anderen Menschen können das glauben oder nicht. Ich jedenfalls kenne die Wahrheit und werde zu gegebener Zeit schwarz auf weiß noch einmal detailiert Stellung beziehen, sobald ich das faktisch-untermauernde Material komplett zusammen habe. 

Es war aber keinesfalls alles so wie es allen voran die Bild Zeitung dargestellt hat. Für die Medien war es natürlich ein gefundenes Fressen, dass der Sänger der Böhsen Onkelz am Unfall beteiligt war. Diese Art Journalismus kennt man ja bereits aus all´ den Jahren mit den Onkelz. Ich meine verstehe mich bitte nicht falsch, ich will hier absolut nichts beschönigen oder ähnliches, aber wie gesagt werde ich auf das Thema zu gegebener Zeit noch einmal detailliert eingehen. Nur noch soviel dazu, die Bilder, die da in Umlauf gebracht worden sind, waren teilweise sogar nachbearbeitet, so dass ich noch schlimmer aussah, besonders was die Bild Zeitung betrifft. Technisch ist so etwas ja heutzutage kein Problem. Ich wurde die gesamte Zeit über 24 Stunden am Tag von Leuten observiert, was noch schlimmere Ausmaße annahm, als das bei Paparazzis der Fall ist. Ich setzte mich dem dann nur noch äusserst selten aus und schloss mich im Hotel ein. Seltsamerweise hörte das Observieren nach dem Urteil vor Gericht urplötzlich wieder auf. 

KEVIN R. RUSSELL 2.013 (VERITAS MAXIMUS)

Nach dem Urteil kam es dann irgendwann zu deinem Haftantritt, bei dem du nur noch um die 78 kg Körpergewicht hattest und ein nahezu ausgehauchter Eiswindschatten deiner Selbst warst. Im Knast selbst hast du den kalten Entzug gemacht. Kannst du dich, wenn überhaupt, daran entsinnen wann du zum ersten Mal wieder einen klaren Gedanken, neue Träume und Ziele hattest?

Zum Haftantritt selbst hat mich ein Kumpel gefahren, nachdem ich mich einmal mehr bis obenhin völlig zugedröhnt hatte. Die wollten mich da zuerst gar nicht haben und haben mich für die erste Nacht in so eine Übergangszelle gesteckt bis ich dann nach Kassel-Wehlheiden gekommen bin, wo öfters Süchtige im dortigen Zentralkrankenhaus untergebracht werden. Später dann im Knast selbst hat man mir dann 0,3 prozentiges Kokain für horrende Preise angeboten. Nur zur Erklärung ich habe mich zeitweise mit 60-70 prozentig reinem Kokain zugeschossen, es machte also gar keinen Sinn für viel zuviel Geld, wovon man im Knast gerade so um die 110,- € pro Monat hat und davon zu ebenfalls völlig überteuerten Preisen einkaufen konnte, das Zeug zu kaufen. 

Ich entschied mich dann bewusst dafür meine Strafe ernsthaft anzunehmen, blieb in meiner Zelle und machte den kalten Entzug. Jeder/ jedem, der/ die je mit Drogensucht zutun hatte, brauche ich nicht zu erklären was das heisst. 

Laut deinen Aussagen endete deine Drogenlaufbahn erst nach über 30(!) Jahren mit dem kalten Entzug im Knast?!

Ich habe mich ja echt mit allem im meinem Leben zugeschossen, was es so gibt. Früher war ich viele Jahre alkoholabhängig - Stichwort "Jägermeister", von dem ich 3-4 Liter am Tag in mich reingeschüttet habe. Zum Beispiel erinnere mich an eine Szene, als ich mich mitten in der Nacht wieder mit Jägermeister ordentlich zugeschossen hatte. Ich wusste, dass der Kiosk um die Ecke erst um 6:00 Uhr aufmachen würde, um Nachschub zu holen, was sollte ich also machen, nachdem ich keinen Jägermeister mehr da hatte? Ich habe mir dann aus sämtlichen Restern, die aus den Flaschen um mein Bett rum waren, das Zeug intravenös injiziert, davon hat`s mich rückwärts komplett umgeklatscht. Das war so 2:00/ 2:30 Uhr Nachts. Ich bin dann um kurz vor 6:00 aufgewacht, "Oh geil der Kiosk hat aufgemacht!", da bin ich barfuß hingelaufen, bei Minus 10 Grad(!) und hab mir erst mal 3 Liter Jägermeister geholt. Das war richtig derbe, ein Exempel quasi, tiefer kannst du nicht sinken, das war barfly in Reinkarnation und noch viel schlimmer. 

Ich kann dir jetzt von jeder Droge, von jedem Scheiß exzessiven, fiesen Kack erzählen. Das fing ja an mit Pattex-Schnüffelei, Verdünner. Da habe ich kleine Zwerge im Zimmer rumlaufen sehen. Ich war so hardcoresüchtig nach dem Scheiß... ich habe einen Liter Pattexdose am Tag gesoffen, also in die Plastiktüte rein und inhaliert und...! Die Folgen sind chronische Lungenentzündung, chronisches Asthma, chronische Bronchitis... letzteres hab´ ich schon seit meiner Kindheit, was natürlich nicht förderlich ist, so`n vererbtes Ding innerhalb der Familie. 

Heutzutage Abends auf der Bühne zu stehen und 3½ Stunden zu rocken, ist für mich das eigentliche Wunder. 

Um noch einmal kurz auf den Knast zurückzukommen, wie empfindest du in diesem Kontext betrachtet die Songs "Nie wieder" oder auch "Knast" vom "Ein böses Märchen..." Album aus heutiger Sicht?

Sie sind halt nicht gerade realitätsnah. Okay, die Aussage ist gut, aber sie ist nicht gelebt, weil der Text, den Stephan (Weidner) geschrieben hat, soll er schreiben, wenn er im Knast war. Ich war im Knast, in mehreren Knästen, nicht nur in Deutschland und ich kann dir sagen die Realität sieht anders aus. 

Der Knast in Deutschland ist Horror! Es ist keineswegs so wie die Leute denken, dass es wie im Hotel wäre, wo du morgens aufstehst, morgens dein Essen kriegst und abends dann... am Arsch! Null kriegste. Morgens dein Frühstück ist ein ganz kleines Stück Camembert, Toastbrot und das ist dann gleichzeitig dein Abendbrot. Mittags kriegst du eine Kelle von so `nem Schweinefraß, Kohl- oder Kartoffelscheiß und das ist keine Untertreibung, wirklich nicht! Und du hungerst da drin wirklich. Du hast Hunger, den ganzen Tag hast du permanent Hunger. Und die Einkaufsmöglichkeiten, die du hast, kriegst du nur genehmigt, wenn du dich dementsprechend verhälst, wenn du mitmachst. Das hab´ ich ja nicht gemacht, ich habe mich da 5 Monate in meine Zelle eingesperrt. Da kriegst du natürlich keine Privilegien, obwohl ich mich da durchgeboxt habe, weil ich halt das Geld hatte. 110,- € im Monat, da kannst du dafür diesen "Gut & Günstig" Scheiß einkaufen, aber dreimal so teuer! Wenn du rauchen willst und Kaffee trinken willst... ich habe 180 Kippen am Tag da drin geraucht. 

Wie wichtig war dabei denn die Isolation über 5½ Monate  vom Rest der Knastwelt und den kalten Entzug währenddessen?

Das gehörte zu meinem Entzug. Erst einmal Kassel-Wehlheiden der Knast. Ich war auf der Krankenstation untergebracht, in einem Raum wo ein Krankenbett drin war. Ich habe "Bodenlage" gehabt, musste also auf dem Boden liegen, das heisst so. Du scheisst und kotzt dich voll, liegst also in deinem eigenem Sud. Das waren die ersten 6 Wochen, wo ich da war, aber wichtig!

Ich meine das war ein Horror... das kann man gar nicht mehr beschreiben was das war... davon weiß ich nur noch Fetzen. Mit dem was ich da erlebt habe, das ist natürlich extrem gewesen.

Das war nicht mehr so extrem als ich dann nach Hünfeld kam, aber das ist ja der Punkt, ab da habe ich gesagt "Ey, Schluss!". Ich kam in Hünfeld an und ich dachte "Endlich mal ein Knast, in dem es auch Bedingungen gibt, wo man gerecht behandelt wird.". Ich war dort ein, zwei Tage auf dem Hof und habe mal gekuckt, die Sonne genossen... das war Anfang September. Ich habe dann zu mir gesagt, jetzt will ich mir die Strafe geben, die ich verdient habe für mein Dasein, für mein Leben, das ich gelebt habe, für alle Taten, für die Scheiße besonders! Ich habe einfach gesagt "Jetzt nichts mehr! Jetzt mache ich diesen Affentheaterscheiß nicht mehr mit, ich gehe auch nicht zur Arbeit, ich lasse mich hier einsperren und bleibe auf diesen 5 mal 5 Quadratmetern." 5½ Monate ging das so. Da hörst du Tiere krabbeln, hörst Stimmen, nach 3-4 Monaten Isolation fängt das an. Die Gespräche, die du hattest, waren rein informativ und kurz. Manchmal waren es auch Gespräche mit Schliessern, da war auch eine Frau dabei, die echt nett war. Sie hat auch Onkelz gehört, sie kam öfters und wollte ein wenig reden. Man ist dankbar für jedes nette Gespräch, das man haben kann. Ich habe mich dann auch oft mit dem evangelischen Pfarrer unterhalten, das war immer geil ihn zu zerrupfen. (* im Sinne von Thesendiskussionen über kirchliche Geschichte!) Aber gut, so ist es nun einmal. Naja, da waren auch so ein paar Vögel, mit denen du gar nicht reden konntest, weil die das nicht wollten. Aber auch das war letztlich okay. 

Rauslassen mussten sie mich dann doch wieder. Gott sei dank ist die deutsche Justiz noch so gerecht, dass du, wenn du einen Anwalt hast, auch Rechte durchboxen kannst. Auch wenn es länger gedauert hat, habe ich meinen Anspruch auf eine Therapie bekommen, die habe ich auch gemacht. 

Der Prozess hat länger gedauert. Bis zum ersten Mal der Gedanke im Kopf da war und der Schalter sich umgelegt hatte und ich dachte "Hey, vielleicht hat`s doch einen Sinn?! Vielleicht schaffe ich es ja doch?!", das hat schon ein Jahr gedauert. Aber dann, nach diesem einen Jahr, wo ich dann am Ende aus der Therapie rauskam, da war ich mir dann auch schon ganz sicher, dass ich das schaffe. Ich hab alles so exzessiviert, habe alles so übertrieben... (* sagt Kevin äusserst nachdrücklich) Ich meine warum soll ich denn jetzt wieder anfangen? Ich meine angenommen ich würde jetzt wieder irgendwas nehmen, das würde gar nicht gehen! Ich geniesse das Leben jetzt so sehr! Und das jetzt nach über 30 Jahren. Ich brauch´ ja noch das und ich muss ja noch dahin, Finanzamt... hui, das ist ein Gefühl...! (* sprudelt es unter freudegetränktem Lächeln aus Kevins strahlendem Gesicht)

Auf jeden Fall waren es die 5 Säulen meiner Therapie, die das Fundament für mein neues Leben sind, auf dem ich neu aufbauen kann. Diese 5 Säulen setz(t)en sich aus dem Knast, Therapie an sich, NA (* = Narcotic Anonymous; das Pendent Drogenabhängiger zu den Anonymen Alkoholikern), meiner gesamten Famile (inklusive meines neuen Umfeldes), dem Bestreben nach neuer Musik und der damit parallel einhergehenden Neuwerdung meiner Selbst zusammen.

(* P.S.) Ohne die Unterstützung und Verbundenheit zu Ralf Haertel, der mich zu den NAs geführt/ gebracht hat und ohne die Liebe meiner Frau Simone, ihrer Tochter Amily und die meines Sohnes hätten diese 5 Säulen aber nicht so ein starkes Fundament, soviel ist felsenfest sicher! Und genau das macht mich zu einem unsagbar demütigen, glücklichen Mensch.

 

KEVIN R. RUSSELL im Interview mit Danny B, September 2.013 (VERITAS MAXIMUS)

Das ist ein guter Punkt gerade, damit können wir einen kleinen Bogen ins Hier und Jetzt spannen. Als Konsequenz all´ deiner Erfahrungen, hast du begonnen dich quasi ehrenamtlich um Menschen mit Drogenhintergrund oder auch um Unfallopfer zu kümmern. Zum Beispiel hast du dich mit Philipp Rogowski getroffen, den das Schicksal bei einem Unfall verdammt hammerhart erwischt hat, der nicht soviel Glück hatte. 

Wirst du diese Tätigkeit jetzt weiterverfolgen? Ich nehme an, je nachdem wie es deine Zeit zulässt oder?

Erstens das, ja. Die nächste Zeit bis Dezember kommen ja noch ein paar Konzerte, insgesamt sind es wohl noch 6 Konzerte, die wir noch machen. Dazu kommt die Albumproduktion. Da bleibt natürlich nicht soviel Zeit. Allerdings möchte ich das wie gesagt im Zuge dieser Veritas Maximus Geschichte machen, wenn wir diese Scheibe rausbringen, diese CD, das wird wahrscheinlich auch einigen Leute die Ohren und Augen öffnen?! Keiner wird glauben was er/ sie da hört. Das ist wirklich ein Meisterwerk geworden! Nicht nur textual, sondern auch von der musikalischen Seite her. Das ist was ganz geiles, das bindet viele, viele Sachen mit ein. Wir machen das nicht stressig, wir bleiben cool und im Zuge dieser ganzen Bewegungen werde ich mich definitiv weiter bemühen etwas für Drogensüchtige zu tun, für Unfallopfer, auch für Menschen mit schweren Schicksalen, ohne dass ich mich da aufdränge! Ich biete mich ihnen an. Ich habe guten Kontakt zu der Therapieeinrichtung Lenzwiese (* Höchst im Odenwald), wo ich meine Therapie absolviert habe. Und ich habe eine super Beziehung zu meiner Bezugstherapeutin Frau Brenner aufgebaut - die Andi, ich darf jetzt Andi zu ihr sagen, wir sind jetzt per du. Vorher habe ich sie immer mit "sie" angesprochen. 

Ich bin ja ein Airbrusher und Tätowierer gewesen und dort bin ich mittels eines Airbrush in den ganzen Katakomben der Lenzwiese am Verkleiden. Mit Feuerdrachen, Wasserdrachen...

...das bereits in anderen Interviews erwähnte Dämonenwerk im Zuge deiner Loslösung von den Schattenwelten deiner Vergangenheit? (* werfe ich spontan ein)

...das werde ich auch noch illustrieren und in einem Buch rausbringen. Ich bemühe mich darum auch ein bisschen Dankbarkeit an die Leute dort zurückzugeben. Die haben es dort echt nicht einfach mit mir gehabt. Ich find`s geil, dass ich es gerade dort geschafft habe. Am Anfang war die Hälfte des Teams, vor allem der Pädagoge, gegen mich, die andere Hälfte hat sich auf die Seite von Frau Brenner gestellt. Das war ein ständiger Krieg. Und mein Wesen, das noch nicht gefestigt war, hat dort den Kick gekriegt anzufangen. Da war ständig Ärger. Aber gut, alle sind nun froh und stolz drum. Es ist ja so, dass da nicht so oft jemand hinkommt, der solch´ ein Feedback bzw. solch´ einen krassen Background hat. Ich habe ja trotz allem noch den ganzen Tag Autogramme geschrieben, insbesondere später dann. Am Anfang hat man versucht mich abzuschirmen. Am Ende kamen da Leute hingepilgert. Verwandte von Leuten, die dort leben. 

Wenn ich jetzt dahin fahre, ich fahre mindestens einmal im Monat hin und arbeite dort an meinem Airbrush weiter, kommen die ganze Zeit Leute rein und wollen mit mir sprechen, wollen Autogramme. Ich erzähle denen genau meine Erfahrungen, dass es sich wirklich lohnt am Leben teilzunehmen. Generell jetzt. Über Einzelheiten... man kann über alles sprechen! Und das ist es, wenn ich in denen ihre Augen blicke, die sind dankbar für solche Gespräche! Das stärkt die, die dort in Therapie sind! Die kriegen 4-6 ml Methadon. (* versucht ein Beispiel eines solchen Gesprächen zu umreißen) "Bist du doof? Laß´ den Scheiß! Du kommst eh nicht drumrum. Du kannst die paar Nächte nicht schlafen, das geht auch mit 0,0 ml, also ganz ohne Methadon so!" und dann fragen sie mich: "Ja meinste?". "Ich habe gesagt 'Nein, ich brauch´ das jetzt nicht mehr!' und ich hab`s geschafft!". 

Ich konnte auch eine Woche nicht schlafen, aber dann ging es auch. Die waren mir dankbar. Nicht zuletzt deshalb habe ich den Kontakt zur Lenzwiese auch aufrecht gehalten, in anderen therapeutischen Einrichtungen wird vielleicht mal ein Vortrag gehalten, ich möchte mich mit den Jungs aber auch unterhalten. Das ist nämlich das Ding, ich habe auf der Lenzwiese immer jemanden gesucht, der seine Lebenserfahrung mit mir teilen kann, als Therapeut oder Pädagoge meine ich. Und den Einzigen, den ich gefunden habe, war ein Nachtwächter, also der war jetzt kein wirklicher Nachtwächter, ich hab´ den nur immer so genannt, das war die Person, jung geblieben, autoritär. Und als die Pädagogen weg waren und es hieß "Die Nachtruhe einhalten!" und den ganzen Kram. Der ist mein liebster Freund geworden, auch während meiner Genesung. Wir sind immernoch in guter Verbundenheit. Ich habe viel von ihm gelernt. Der hat ähnliche Probleme wie ich gehabt, ist auch schwer süchtig gewesen, war 12 Jahre drauf, ist aber clean. Er kümmert sich so ein bisschen ehrenamtlich für einen kleinen Obolus um solche Sachen. Der geht da nachts ab und zu hin und passt da auf und so.

Und das könnte ich mir auch vorstellen, aber nicht der Form, sondern eher mal einen Vortrag zu halten und den Leuten mal ein bisschen ins Gewissen zu reden. Und das werde ich tun, sobald ich Zeit habe! 

 Jetzt wird aber erst einmal ein bisschen gerockt! Kommt alles! Ich habe genug vor, also ich habe mir mein Leben wirklich vorgenommen! Ich habe viele Möglichkeiten, ich habe genug zutun. Ich will noch eine Biografie schreiben, da mache ich mir schon monatelang meine Gedanken. Mit der Biografie kann ich dann ja fast schon wieder auf Tour gehen, von Anstalt zu Anstalt. Mir schwebt da wirklich viel vor. Und wenn das angenommen wird und auch fruchtet, dann wird auch entschieden, ob es auf Tour geht.


KEVIN R. RUSSELL im Motorwerk, Berlin 2.013 (VERITAS MAXIMUS)Ein aufstrebend positives Schlusswort von Kevin  zum ersten Interviewpart, das meines Erachtens deutlich macht, dass Kevin R. Russell nach über 30 Jahren in Dauergefangenschaft seiner eigenen Schattenweltdämonen endlich zurück im Leben ist und seine Dämonen in das erwähnte Katakombenairbrush für alle Zeit verbannt hat. 

Sicher, am Für und Wider seiner vergangenen Wege mögen sich die Geister scheiden, öffentlich profilierend auskotzen, sich an seinen Wegen bis zum blankliegenden Hirn (auf-)reiben, aber was letztlich bleibt ist das Monument seiner Wege und dass KEINEM da draussen das Recht gegeben ist sich anzumaßen, dass er/ sie wüsste wie hart Kevin`s Kampf mit seinen inneren Dämonen wirklich war und warum es drei Dekaden brauchte, bis er im wahrsten Wortsinn das Licht am Ende des Tunnels sah. 

Jede/ -r, der/ die je härtere Drogen konsumiert hat und das Gefühl von Entzugserscheinungen kennt, wird verstehen was ich meine. Du kannst keinem Aussenstehenden erklären wie sich diese Art Krämpfe anfühlen, wenn sie sich um dein gesamtes (in dem Moment sicher jämmerliches) Dasein wickeln und dich wie in für die Ewigkeit geschmiedeten Ketten gefangen halten, und du nur noch willst, dass es aufhört, koste es in dem Moment was es wolle. Bei Manchen geht diese Erfahrung sogar so tief, dass sie sich den finalen, goldenen Schuss setzen, weil sie nicht mehr können. 

Aber (und DAS MÖCHTE ICH NACHDRÜCKLICH BETONEN!) das alles soll keine Animation sein diese Gefühl zu erfahren zu versuchen, ganz im Gegenteil! Es soll klarmachen, dass Drogen (egal ob Alkohol, LSD, Speed, Crsytal Meth, Kokain etc.) immer nur die eine Richtung kennen, nämlich den Weg nach ganz unten! Die Zieladresse, die im fiktiven Beipackzettel von Drogen steckt, liegt noch weiter unten als die Hölle selbst, ich kann nur aus einem Onkelz Song zitieren "Fickt nicht mit dem Teufel, stellt ihm keine Fragen...!" (* aus "Das Geheimnis meiner Kraft"), denn genau dieser Satz trifft es für mich. 

Was Kevin R. Russell selbst angeht, so hoffe ich aufrichtig, dass er vor allem von denen, die ihn aufgrund seiner Vergangenheit nicht mögen oder gar verurteilen, die faire Chance erhält sein wirkliches Gesicht/ Dasein zu zeigen. Soweit ich das aus den Gesprächen mit ihm beurteilen kann, ist Kevin absolut tiefenbewusst, was hinter ihm liegt. Dass diese seine schonungslos offenen Resümees im Rückblick auf sich selbst aus ehrlichen Beweggründen kommen, spürte ich beim Blick in seine Augen, wenn er offen über die Dinge sprach, ohne sie auch nur ansatzweise zu beschönigen. 

Soweit meine kleine-, sicher trotzdem subjektive Randbemerkung, die Ihr Leser mir hoffentlich zugesteht ohne gleich Profilierungsschmiere zu wittern. Ich bin das kleinste Rädchen im Getriebe dieser unendlich großen, weiten Zeiten.

Zum Part II des Interviews geht es hier lang! KEVIN R. RUSSELL (VERITAS MAXIMUS) Part II

In diesem Sinne,

Danny B.

http://www.kevinrussell.de/

https://www.facebook.com/kevinrusselloffiziell?fref=ts


Foto KevinRichard Russell (offiziell) by: Kevin Richard Russell ©

Interviewfotos, Kevin R. Russell im Motorwerk by: Through My Eyes Photography © (im Auftrag von schafe-schuesse.de)
 

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Kommentare

Lieber Kevin, lieber Dany.

Lieber Kevin, lieber Dany. Danke für die Ehrlichkeit. Ich kam erst letztes Jahr zu den Onkelzliedern und muß gestehen, aufgrung des Unfalles, der quasi vor meiner Haustür passierte, ließ ich kein gutes Haar an Kevin. Aber auch ich habe 18 harte Monate hinter mir. Allerdings im vergleich zu Kevin gar nix. Und ich sag euch jetzt eins, auch wenn ich Kevin nicht persönlich kenne, mag ich ihn heute und habe mich mit seiner Geschichte beschäftigt. Und wenn wir die supenguten Menschen sein wollen, wie wir behaupten, so soll jeder eine 2te Chance bekommen. Kevin , Hochachtung vor dieser Leistung und mach bitte weiter so. ich schicke dir ganz viel Kraft und Liebe. Petra

Hallo Kevin,

Hallo Kevin,
ich hoffe das du es schaffst clean zu bleiben und deine wünsche und Projekte in Erfüllung gehen. Ich habe selbst eine Drogenvergangenheit bin aber seit 1997 clean, es waren verdammte 14 Jahre. Ich habe in der Zeit sogar knapp 2 Jahre in FAM gelebt, Stolzestraße ( besetztes Haus). Die Musik der Onkelz hat mich dabei immer begleitet und sie tut es heute noch und es wird sie bis an mein Ende tun egal was passiert. Zu deinem Unfall kann ich nur sagen das es mir für die Opfer leid tut das ist wirklich nicht schön und ich mußte oft erklären warum ich mit dem kauf von BO Artikeln sowas nicht unterstützen sollte. Ich habe viele Erklärung abgegeben an Menschen die mich aber nicht gut kannten, denn alle die meine Vergangenheit kannten wussten das ich an so einer Situation des Öfteren knapp vorbei geschrammt bin. Ich hatte einfach nur Glück!!! So genug gelabert, Kevin ich würde mich freuen dich mal Persönlich kennen zu lernen oder sogar mich mit in eines deiner Projekte einzubringen. Mach weiter so, see you in Oberhausen.
Gruß Thomas

Moin Kevin!

Moin Kevin!
Erstens möchte ich dir sagen das ich es total stark von dir finde,so über dein Leben zusprechen ohne die schlechten Sachen auszulassen!!
Zu dem Unfall möchte ich auch gar nicht so viel sagen,denn wie das Wort es schon ausdrückt...es war ein Unfall und das kann ein jeden von uns treffen.
Vielmehr möchte ich dich bei deinem Projekt der Aufklärung über Sucht helfen!!
Da ich selbst über 20 Jahre drauf war und ich weiß wovon du/ich spreche.
Habe 94 eine Therapie in Südergellersen bei Lüneburg gemacht und bin seid dem an mit 1-2 Rückfällen standhaft geblieben,was auch an meiner eigener klein en Famlie liegt,denn nach meiner Drogenzeit habe ich dann meine jetzige Frau kennen gelernt und dadurch auch das richtige leben,so mit Kinder usw.was damals die Drogen waren sind heute meine Kinder und mein streben nach noch mehr,denn nur breit zusein,kann ja nicht alles gewesen sein.
Also wie gesagt ich weiß ja nicht was du da so planst aber wenn du Hilfe oder Erfahrungen von richtigen Junkys brauchst kannst du dich gern melden!!
Ich würde meine Erfahrungen gern weiter geben und dir bei deinem Vorhaben sehr gern helfen!!
Naja als Jahre langer Onkelz Fan wäre das für mich natürlich auch mehr als genial,aber wie gesagt viel mehr geht es mir darum dich bei deinem Vorhaben zu Unterstützen!!
Also halt weiter durch,es lohnt sich immer!!!
Gruß Alex

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