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KÄRBHOLZ "Überdosis Leben"

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

01-2017

Label: 

Genre(s): 

Für bestimmte zu extrem auf Korrekt pochende-/sich selbst zu wichtig nehmende Leute scheinen Kärbholz auf ewig zum "deutsch Rock" zu gehören, weiter über den geistigen Horizont darf es für manche, die seit gefühlten Ewigkeiten (ungefragt) etwas von "Grauzone" aufdrängenderweise vorbeten, aber nicht einmal wissen, warum sie bestimmte Bands einer farblich zugeordneten "Zone" zuordnen, ohne überhaupt klar definieren zu können wo diese "Grauzone" überhaupt anfängt und wo sie endet? Damit nehmen sich einige als ganz besonders wichtig und setzen oft (nicht immer) bei den falschen Bands an. Kärbholz sind eine der Bands, die immer wieder zu deren Standardantwort gehört, wenn man nachfragt welche Bands denn gemeint seien? 

Ich konnte mich bereits vor Jahren überzeugen, dass die Jungs von Kärbholz sich alles, nur eben keine Braungeister sind. Sicher, sie feiern schon mal bis die Kessel platzen, sie gehen musikalische Experimente ein, dass es einem auch mal (musikalisch) nicht so gut gefällt, so wie das zuletzt für meinen subjektiven Geschmack mit "Karma" (*2.015) der Fall war, aber am Ende des Tages währt Ehrlichkeit doch am Längsten und das spüren die Leute, spätestens wenn Kärbholz "Timmi halt's Maul" spielen. Genau diesen Song empfehle ich den Leuten, die Kärbholz immer wieder grau anmalend abzonieren wollen. Kärbholz, das sind einfach vier Freunde vom Land, die sich dort wohlfühlen, wo sie leben. 

Auf schafe-schuesse.de wird es jedenfalls auch zukünftig kein Podium für rechtsoffene- oder auch nur mit "Bürgerbesorgnis"-angehauchte Bands geben. Wir bleiben hier ganz klar beim Ursprung, der definitiv im Herzen von Sätzen wie "Punk's Not Dead" und "If The Kids Are United" liegt. 

Und bevor ich mich nun in langen Vorreden verliere, widme ich mich im Finaldurchlauf dem neuen Kärbholz Album "Überdosis Leben". Schon vom Coverartwork her geht es schlicht wie beim Vorgängeralbum "Karma" zu, bzw. folgte offenbar noch eine Livescheibe mit gleichem Albumtitel im gleichen Jahr, die mir allerdings entgangen ist. Vielleicht hat man sich die Bemusterung nach meiner ehrlichen Review zu "Karma" auch gespart? Egal wie, man trägt nichts nach und geht es im 14. Bestandsjahr mit einer neuen Dosis Leben an. "Ich hoffe du kannst mich sehen" (Track 1) öffnet die Tür der gemischten Dosis, die zwar noch immer von "Karma" begleitet wird, aber wieder deutlich rockiger ausgelegt lostönt. Die aus meiner Sicht bislang stärksten Kärbholz Alben "100%" (*2.011) und "Rastlos" (*2.013) schimmern als Fundament der Weiterentwicklung definitiv durch. 

Produziert hat man erneut sehr klar, was vielleicht auch an der klaren Seeluft der Chameleon Studios in Hamburg gelegen haben kann? Kärbholz klingen jedenfalls wieder knackiger/frischer und auch die Freude an den Songs sticht deutlicher durch - "Überdosis Leben" (Track 2). Man hat sich zurück auf die Stärken besonnen und "weniger ist mehr" mit ins Studio genommen, trotz der satten Produktion.

Spätestens "Feuerräder" (Track 3; Anspieltip I) packt im Genick und nimmt mit. "Feuerräder" hätte locker auch auf "Rastlos" sein können. Lediglich die teils filigrane Gitarrenarbeit ist fast neu, die mit diesen rollenden, (voran-)treibenden Feuerrädern unter Phönixschwingen durch das Leben fährt und auch die Band insgesamt (allen voran Sänger Torben und Schlagzeuger Hennig) kraftvoller denn je hören lässt. Auch "Ich kann es nicht ändern" (Track 4) bleibt so stark im Aufbau und bringt sogar Singlequalität mit. Kärbholz gehen sogar noch einen Schritt weiter und experimentieren dieses Mal eher mit Stileinflüssen, die teils doom-blues-ig beginnen, um dann in typischen Punkakkorden zu landen, die mich an Trio, NDW und The Clash erinnern. -"Nur wir beide" (Track 5; Anspieltip II) bringt all' das zu Ohren, allerdings nicht ohne Adrian Kühn's typische Kärbholz Soli mit im Gepäck zu haben. Es mag vielleicht etwas vermessen klingen, aber mir persönlich gefiel bereits bei den ersten Durchläufen dieses Album bereits an dieser Stelle schon um Längen besser als der Albumvorgänger "Karma". Aber das just als subjektive Randnotiz.

Kärbholz sind zwar sicher immer noch die vier Typen mit dem ihnen zu eigenen Humor, aber sie sind auch deutlich reifer geworden. Sie gehen es wieder offensiver an, nur mit dem Unterschied, dass sie mehr Gelassenheit mit einem Quentchen mehr Lachen (auch über sich selbst) verbinden, was man z. B. auch an dem deutlich Volbeat/Country/Johnny Cash beeinflussten "Kind aus Hinterwald" (Track 6) hören kann. Ich für meinen Fall kann zwar mit zu hohem, klassischen Countryanteil nicht viel anfangen, aber es sei wenigstens angemerkt, dass die Geige bei diesem Lied von Alexander Suck (*von der MittelalterRock Band Vogelfrey) beigesteuert wurde, der nicht der letzte Gast auf diesem Album war. 

Dass eine Überdosis im Moment der Verabreichung gewiss nicht die easy Tour ist, macht "Evolution umsonst" (Track 7; Anspieltip III) dementsprechend realistisch klar und thematisiert das Abstumpfen der Menschheit. Lenny "Grinder" Osterhus (*Endseeker; Devastator) hebt dabei den Metalanteil via seiner bauchwütigen Vocals. Da macht der Song "Der Spiegel" (Track 8), der erneut eher mit einfach gestrickten Strophen auskommt, natürlich Sinn. 

Perfekt ist es immer erst, wenn es "Perfekt unperfekt" (Track 9; Anspieltip IV) ist. Reggae/Ska frei Haus und Ohrwurmalarm, was auch dank Gastsängerin Franzi Kusche so stark ausfällt. Das "Überdosis" Konzept geht auf und verzeiht die kleinen Fehler und Makel nicht nur, sondern akzeptiert sie als Teil des Weges. Nachdem es lockerer tönte, rockt "Da ist noch Leben drin" (Track 10) wieder mehr die Bretter und lässt hintergründig sogar Papa Roach Einflüsse mitfahren, was dem Ohrwurm in die Arme spielt. Dominant bleiben aber ruppige Gitarren, an deren Saiten sich die Zähne gewetzt werden. Überraschungsmomente inklusive, die mich seltsamerweise ein klein wenig an Metallica erinnern. 

Zwar ist "Nur einen Satz" (Track 11) gewiss kein schlechter Song, im Gegenteil, er dürfte bei vielen sogar direkt hängenbleiben, mich aber kriegt der Song nicht so richtig ins Netz. Woran das liegt, weiß ich selbst nicht so genau, zumal es mir mit dem folgenden "Schwerelosigkeit" (Track 12) anfangs ähnlich ging und es mehrere Durchläufe brauchte.

Als ich den Titel "Weck mich nicht auf" (Track 13) auf der Rückseite des Albums zum ersten Mal las, dachte ich sofort an den gleichnamigen Song der Abstürzenden Brieftauben. Was hier kurz ein Brieftauben Cover suggieriert(e), stellte sich im Handumdrehen als eigener Song heraus. Ich muss allerdings ehrlich sagen, dass mir der Brieftauben Song mit selben Titel besser gefällt. ;-) Mit "In Flammen stehen" (Track 14; Anspieltip V) setzen Kärbholz einen musikalisch ausgereiften Schlusspunkt mit einer Semi-Ballade. 

"Überdosis Leben" hat wahrlich eine satte Dosis Leben in sich, über 51 Minuten breitet sich ein langer Atem aus, der musikalisch wieder (er-)frisch(end)er schmeckt. 

V.Ö.: 27.01.17

 

7,85/10 Schafe Schüsse

(Metalville/Rough Trade 2.017)

https://www.kaerbholz.de/

https://www.facebook.com/Kaerbholzoffiziell/

Danny B

Schaf Schüsse: 

7
Eigene Bewertung: 7

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