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TOXPACK, Friss!

Künstler/Band und Albumtitel: 

Erscheinungsdatum: 

09-2014

Label: 

Genre(s): 

Satte 3 Jahre sind ins Land gezogen, seitdem "Bastarde von Morgen" einen Meilenstein in die deutschsprachige Street Rock/ Core Landschaft gewuchtet hat. Hier auf schafe-schuesse.de hat das Album direkt die Kultrille-Krönung eingefahren. Da kann auch für eine eingespielte Band schon mal gut Druck von den Schultern her aufkommen, diese komplimentierende Review mitzunehmen und zu schultern. 

Nun haben die Berliner Street Core Rocker, die über die Jahrzehnte auch jede Menge Punk, Metal und Hardcore im Fleisch verinnerlicht haben, sich mittels Studio- und Produzentenwechsel in Richtung Mainhattan (Frankfurt a.M.) begeben und den "Goldschmied" (MIchael Mainx) in Sachen Sound der Böhsen Onkelz, Der W, Pe Schorowsky, Veritas Maximus an Bord geholt, um einen neuen Kurs in Richtung nächster Ebene anzupeilen. 

Nicht erst als das Coverartwork von "Friss!" veröffentlicht wurde, war mir klar, dass Toxpack nicht kuschen, sondern selbstbewusst Nägel mit neuen Köpfen schmieden würden. Allein schon all´ die Attribute dieser Zeiten auf dem Cover, für das Emanuel "Roxxy" den Stift geschwungen hat, geben Gedankenstoff genug, um diese Zeiten zu hinterfragen. Logisch, dass bei so einem Bombenartwork kein feuchter Bierfurz folgen darf, denn das käme dem Fall des römischen Imperiums gleich. Ich war echt auf`s Schärfste gespannt, was Toxpack anno 2.014 servieren würden? Fast Food (Schnellkost) war aber mit Sicherheit nicht zu erwarten.

Der Moment als ich die CD das erste Mal in den Player einlegte, erinnerte mich stark an den Moment, wenn man früher bei so mancher Platte mit viel Spannung vorsichtig den Abnehmerarm des Plattenspielers mit dem Vinyl zusammenbrachte als sei es die Entjungferung einer Frau in frühern Jugendtagen. Wer rammelt, verliert. Um es kurz zu machen, waren meine ersten Eindrücke leicht befremdlich bzw. noch nicht wirklich greifbar für mich. Gedanken wie "Klingt wie eine moderne Version der Toten Hosen mit Toxpack vermischt..." wollten nicht mit dem Bild zusammenpassen, dass ich durch "Bastarde von Morgen" von Toxpack gewonnen hatte. Erster Fakt ist, dass "Friss!" (zu ca. 80%) mit kaum einem vorherigen Toxplack Release vergleichbar ist.

Was vom Böhse Onkelz Pianisten Stephan Weiler intoniert, mit modernem Klassik-Pop angehauchten Instrumental "Gustatio" (Track 1) verträumt, aber leichtköstig beginnt, wird vom quasi offiziellem Vollopener "Stillstand (Keine Zeit)" (Track 2) mit klassischer Punk Rock Schule und an Voice Of A Generation erinnerndem Drive eröffnet. Frontbarde Schulle keift und pumpt den Toxpack Zug wie zu Hochzeiten von "Bastarde von Morgen" nach vorn. Die ersten "Ooohoooh`s" werden eingestreut, was im Laufe dieses Albums noch von Belang sein wird. Nach hinten raus, wie eingangs beschrieben, fühlt man erste "Tote Hosen Momente". Direkt im Anschluss kommt der Albumtitelsong "Friss!" (Track 3; Anspieltip I), das mit jedem weiteren Durchlauf zum ersten Singalong heranwächst. Sätze wie "...immer weiter, niemals satt, bis euch der Magen platzt oder ihr innerlich verwest!" sprechen Bände, die das Coverartwork insgesamt gut auf den Punkt bringen. Musikalisch merkt man nicht nur am Gesamtsound, sondern auch musikalisch, eine deutliche Weiterentwicklung. 

Es bleibt beim punchig-atittüdezugeneigtem Unterton, wenngleich eher hinterfragt wird - "Niemand" (Track 4). Wer hier genauer hinhört, wird auch in Sachen Gesänge deutlich mehrstimmige Vielfalt als von Toxpack gewohnt entdecken. Offenbar hat Michael Mainx auch Schulle auf neues, weitreichendes Terrain gejagt, der sich überraschend eingängig schlägt, was dem Sofortzünder "Vergangen, Vergessen" (Track 5; Anspieltip II) zuträglich in die Arme spielt. Flow, Drive, Sofortzünder. Mehr brauche ich zu diesem Song nicht sagen, denn jede/ -r Hörer/ -in wird beim Hören verstehen, was ich damit meine. Auch hier sind kleine, aber markante Tote Hosen Momente (Gesangschöre) zu hören, wie man sie ab "Kreuzzug ins Glück" bei den Düsseldorfern vernehmen konnte. 

"Nichts hören, sehen, sagen (feat. Stephan Weidner)" (Track 6) ist der derzeit bekannteste Song dieses Albums, da man bereits im Vorfeld auch einen Videoclip dazu gedreht hat. Als Gast konnte man den themabezogenen, engagierten Onkelz Bassisten Stephan Weidner als Mikrogast gewinnen. Die Thematik selbst ist wichtiger denn je. Toxpack stellen damit jegliche Zweifel (für die, die Zweifel an Toxpack hatten) mitsamt allen rechten Idioten in die Ecke. Von der Suche nach dem Regisseur geht es auf direkten Wegen zur Regierung in der Toxpack Home Base Berlin, wo mit "Transatlantik Rendevouz" (Track 7) die Thematik 'Spionage und Systemkonstrukt' ziemlich punkttreffend in der Zeile "schwarze Löcher im System" das Übel umschreiben. Hinni`s Hammerpunch (nebst Schulle`s leicht Rammstein zugeneigter Passage am Anfang) treibt voran in Richtung Systemzentrale. Dass bestimmte Tote Hosen Funken ab und an aufkommen, ist nicht bewusst von mir so konstruiert, sondern liegt in der Natur menschlicher Vergleiche. So komme ich auch zu Beginn für einige Momente von "Nichts bleibt wie es ist" (Track 8) nicht um diese Vergleichsgedanken herum. Als Pro muss man aber auch sagen, dass der Gitarrensolipart in Richtung Songende der erste auffälligere ist.

Mit etwas The Clash untersetztem Charme tanzt mit "Alles Lüge" (Track 9; Anspieltip III), der nächste sofortzündende Ohrwurm, in die Ohren. Der Spruch "Alte Liebe rostet nicht." bringt die Thematik ziemlich gut auf den Punkt. Bzw. kennt man die Thematik von Green Day`s "Whatshername". Toxpack haben die Thematik auf erfrischend genial-einfache Weise umgesetzt, selbst die "Oh-oh-oh" Gesangsbrücken stehen diesem Song so gut wie die harte Schale dem weichen Kern. Wer da noch unabgeschlossene Dinge im Herzen hat, wird hier gnadenloser Zielgenauigkeit der Päckchen gepackt, die fast jeder mit sich trägt, der die "was wäre wenn..." Gedanken kennt. Wem dieser Song einmal packt, der/ die hört ihn mit 99%iger Wahrscheinlichkeit rückzappend mindestens noch einmal, wenn nicht sogar in Rotationsschleife?! Von den inneren Ketten geht es zurück zum Meer der "Freiheit" (Track 10), resümiert leicht, wendet sich aber positiv bis optimistisch dem Weg als Ziel zu. Auch hier passen die "Oh, oh" Passagen bestens zum Song, während Schulle gedanklich mit dem Megaphon im Raum steht. 

In "La Vida Loca" (Track 11) werden zeitliche Vergänglichkeiten einmal mehr bewusst durchdacht. Erneut geht Singalongflair auf Tuchfühlung. Bislang auf diesem Album eher beiläufig eingestrickt, kommt hier Stephan`s Bass etwas mehr raus, was dafür spricht, dass er mittlerweile so fest mit Toxpack verwachsen ist, wie es die Wurzeln eines neu gepflanzten Baumes nach einiger Zeit tun. Zum Finale gibt es mit "Gute Reise" (Track 12; Anspieltip IV) noch einmal einen Sofortzünder serviert. Was mir im Zuge dessen positiv auffällt ist, dass die Sofortzünder auf diesem Album zu grossen Anteilen mit melodischen Cleangesang zu bestechen wissen, was für den frischen Wind spricht, der durch`s Toxpack Haus weht. Das von Stephan Weiler gespielte Piano-dominante Outro "Bellaria" (Track 13) schliesst den Kreis der Fressorgie da, wo sich (nach-)denkend begann. Ende vom Anfang, Anfang vom Ende oder ganz anders? 

Mein Fazit ist so, wie es sich eingangs bereits angedeutet hat, "Friss!" ist keine lieblose Schnellkost, die man eben mal nebenbei abhandeln kann. Es ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber ein echter, fester Schritt nach vorn. Alles in allem fällt es deutlich melodischer und runder aus, vielleicht sogar mit etwas weniger Strassendreck (da bin ich noch immer ein wenig im Zwiespalt)? Es geht einfach deutlich moderner zu als auf bisherigen Toxpack Alben, ob das gut oder schlecht ist, muss jede/ -r für sich selbst entscheiden. Was bei den Onkelz "Dopamin" war, ist bei Topack "Friss!". Finalfakt ist, dass das 13. Jahr ein gutes für Toxpack ist.

 

8,75/ 10 Schafe Schüsse

(Better Than Hell/ Edel Distribution 2.014)

http://www.toxpack.de/ 

https://www.facebook.com/toxpack

Danny B

Schaf Schüsse: 

8
Eigene Bewertung: 8

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